Streit um Halbtagsschule eskaliert

■ Grüne wollen Lemke per „Dringlichkeitsantrag“ stoppen / Dieser setzte 14 Schulleiter unter persönlichen Druck

Mit einem „Dringlichkeitsantrag“ wollen die Grünen in der heutigen Sitzung der Stadtbürgerschaft das „Grundschul-Chaos sofort stoppen“, das ihrer Ansicht nach das Bildungsressort bei der Einführung der „verlässlichen Grundschule“ angerichtet habe. Die „verlässliche Grundschule“ sei im Kern sinnvoll, aber das Modell „unausgegoren“, kritisierte der bildungspolitische Sprecher der Grünen, Helmut Zachau. Vor allem aber sollten die 14 „vollen Halbtagsschulen“ in sozialen Brennpunkten ihre überdurchschnittliche Lehrerausstattung behalten. Man dürfe nicht, so formulierte Zachau, Elterninteressen gegen Schülerinte-ressen ausspielen, also „verlässliche“ Betreuung durch Honorarkräfte für die Eltern organisieren und dafür Unterrichtsstunden für die Kinder streichen.

Die Vorklassen bleiben, die „Betreuungsschulen“ bleiben, die Elterninitiativen können sich an der Betreuung im Rahmen der „verlässlichen Grundschule“ beteiligen, kurz: Die Bedenken der Grünen sind grundlos, konterten ges-tern die senatorischen Behörden. „Sozialpädagogische Fachkräfte“ oder eben auch Studenten oder „interessierte Mütter“ könnten für die Betreuung der „verlässlichen Grundschule“ per Honorarvertrag verpflichtet werden.

Was bleibt, ist der Streit um die zusätzlichen Lehrer, die für 14 Grundschulen in sozialen Brennpunkten bisher unter dem Stichwort „volle Halbtagsschule“ bewilligt wurden. Dass dieses Konzept nicht Betreuung „bis 13 Uhr“ zum vorrangigen Ziel hatte, wisse jeder in der bremischen Bildungspolitik – dass der Bildungssenator dies mit Erstaunen bei einem Schulbesuch festgestellt hatte, quittierte Zachau mit einem ironischen Hilfs-Angebot: „Wir haben die Anträge der Schulen da, die das Bildungsressort genehmigt hat – wenn wir dem Senator da mit Unterlagen helfen sollen, tun wir das gern.“

Im Streit für die „volle Halbtagsschule“ wissen die Grünen nicht nur die CDU auf ihrer Seite, deren Abgeordneter Claas Rohmeyer noch im November in der Bürgerschaft erklärt hatte, die Einführung der Betreuung bis 13 Uhr sei „keine Konkurrenz zu der vollen Halbtagsschule“. Deren Bedeutung sei im Koalitionsvertrag ausdrücklich festgeschrieben. Auch die Elternvertreter lassen nicht locker. Von Willi Lemke wird berichtet, dass er zuweilen sehr dünnhäutig wird, wenn er sich diesem Thema stellen muss. Am 12. Januar zitierte der Senator Schulleitungen der 14 „vollen Halbtagsschulen“ zu einem „Dienstgespräch“ und stellte jedem Einzelnen in der Runde die Frage, ob er oder sie die beamtenrechtlich gebotene Loyalität mit dem Dienstherren gewährleisten würden. Die SchulleiterInnen mussten reihum versichern, dass sie im Zweifelsfall „mäßigend“ auf die Eltern einwirken würden, wenn diese gegen den Lehrerabbau an ihrer Schule protestieren wollten. „So einen Stil und so ein Dienstgespräch hat es selbst unter Franke nicht gegeben“, sagt der grüne Helmut Zachau dazu. Der psychologische Druck muss so stark gewesen sein, dass zwei Schulleiterinnen während der Dienstbesprechung in Tränen ausbrachen. K.W.