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Des Bischofs alte Kleider

■ Zwei ausgetretene Seidenlatschen eines mittelalterlichen Bischofs kosten die Dom-Stiftung 30.000 Mark / Nach 27 Jahren sind die Schuhe jetzt zurück in Bremen

Nicht der Himmel, sondern die Erde tat sich vor fast dreißig Jahren für den Ex-Kirchenvorstandsvorsitzenden Hans-Henry Lamotte auf. Bei Ausgrabungen im Mittelschiff des Bremer Doms zu Beginn der 70er Jahre entdeckte der Archäologe Karl-Heinz Brandt dreizehn mittelalterliche Bischofsgräber. Von den ehemaligen Würdeträgern war nur das Skelett geblieben - die Kleider hingegen waren ungewöhnlich gut erhalten.

Überraschung und Ereignis zugleich. Denn den kirchlichen Schriften zu Folge waren bereits im Mittelalter die Gräber unter dem Mittelschiff aufgelöst worden. Allenfalls Gebäudereste hatten Lamotte und das archäologische Team in den Tiefen der Erde vermutet. Und eigentlich hatte man auch nur der Form halber ein wenig gegraben. Im Rahmen der Restaurierung des Bremer Doms (1972-81) war nämlich der Einbau einer Fußbodenheizung geplant - ganz sicher wollte man gehen, dass dabei keine archäologischen Kostbarkeiten zerstört wurden.

Dreizehn Mal mittelalterliche Knochen und bischöfliche Kleidungsstücke. Und nun? Dass die textilen Fundstücke restauriert und konserviert werden sollten, stand außer Frage. „Es war allerdings nicht leicht, Restauratoren zu finden“, erinnert sich Lamotte. Anfragen in Deutschland und der Schweiz verliefen ohne Erfolg. Lamotte blickte gen Norden und fand dort den Retter: Das Institut für historische Textilien in Stockholm.

Nach und nach kommen die konservierten Kleidungsstücke nun aus Schweden nach Bremen zurück. Ausgestellt werden sie im Dommuseum, das seit seiner Eröffnung im Jahre 1987 das Ziel verfolgt, „Glanzstücke“ der Bremer Kirchengeschichte zu zeigen. Jüngstes Exponat sind die Schuhe des Erzbischofs Otto II. (Bischof von 1395 bis 1406), die vor einigen Tagen von der schwedischen Textilrestauratorin Eva Lundwall in die Hansestadt zurück gebracht wurden.

30.000 Mark hat die Restauration der pantoffelförmigen Schuhe gekostet - doch diese Summe ist Lamotte die Sache allemal wert. „Die Schuhe wie auch die anderen Ausstellungsstücke heben die Bedeutung des Erzbistums Bremen für die abendländische Kultur hervor“, stellt der alte Baudomherr mit Pathos in der Stimme fest. Etwa 50 Exponate sind in den vergangenen Jahren aus Schweden rückgeführt worden, die restlichen Stücke – rund 45 – sollen bis Ende 2001 folgen.

Im Handgepäck hatte Lundwall diesmal die geschichtsträchtigen Schuhe auf ihrem Flug nach Bremen. Zwei lange Monate hat sie an den Seide-Überbleibseln gearbeitet. Erzbischof Otto II. hatte, als man ihn fand, keine kompletten Schuhe mehr an den Füßen. Zwar waren die Korksohlen der Schuhe erhalten, doch sonst baumelten nur einige seidige Stofffetzen an seinen Knöcheln. Nach Meinung von Lamotte hätte die Restaurierung schneller gehen können, wenn das Land Bremen sich finanziell beteiligt hätte. Doch auf den Kosten bleibt die Stiftung Bremer Dom e.V. wahrscheinlich sitzen. tav

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