■ Filmstarts à la carte
: Intrigen im Kimono

■ Ein Thema hat Yasujiro Ozu zeitlebens bewegt: das Verhältnis von Alt und Jung, das sich in der vor allem nach dem zweiten Weltkrieg eintretenden Veränderung der traditionellen japanischen Gesellschaft immer wieder neu definieren musste. Ozu erzählt mit seinen typischen starren Einstellungen in den Spätwerken „Spätherbst“ und „Ein Herbstnachmittag“ vom gleichen Konflikt: Zum einen nehmen verwitwete Elternteile die Hilfe und Gesellschaft ihrer erwachsenen Töchter gern in Anspruch, zum anderen haben sie gleichzeitig ein schlechtes Gewissen, weil den Kindern damit eine eigene Familie verwehrt wird. Also wird viel vom Heiraten gesprochen, es gibt Intrigen und Missverständnisse, und am Ende des notwendigen Abnabelungsprozesses erwartet die ältere Generation stets eine gewisse Melancholie und Einsamkeit. Trotzdem sind Ozus Filme über die ganz alltäglichen Probleme niemals deprimierend, sondern bestechen durch eine heitere Gelassenheit.

„Akibiyori“ (Spätherbst) (Om engl. U) 29.1.; „Samma no aji“ (Ein Herbstnachmittag) (Om engl. U) 30.1. im Arsenal

■ Die etwas andere Art asiatischer Kinokultur präsentiert derweil das Central-Kino: In „Meister des Schwertes“ von King Hu, Tsui Hark und Ching Siu Tung lässt allein die Willenskraft der Protagonisten Mühlräder durch die Luft wirbeln und Köpfe platzen. Natürlich sind die Herrschaften auch alle große Schwertkämpfer oder wollen es zumindest werden, weshalb vom Klosterschüler bis zum Geheimdienstler auch jeder nach einem mysteriösen Schriftstück fahndet, das Unbesiegbarkeit verspricht. Die Gesetze der Schwerkraft gelten allerdings von vornherein nicht. Bunt, bewegt und bewegend.

„Meister des Schwertes“ 2.2. im Central 2

■ Rom sei die Stadt der Illusionen, lässt Federico Fellini einen seiner Protagonisten in „Roma“ sagen, und dass es deshalb kein Zufall sei, dass Rom die Stadt der Regierung, der Kirche und des Films ist. Kein Wunder also, dass Fellini in seinen Reminiszenzen und Fantasien diesen Organisationen einen ironischen Tribut zollt: mit einem giftgrünen Minzlikör nippenden Papst, der sich gerade eine Modenschau ansieht und einer Hommage an die Studios von Cinecittà, wo der Regisseur als Teil einer total künstlichen Szenerie ein Stück der römischen Stadtautobahn errichten ließ, die, mitten in einem Gewitter, mit brennenden Autos und krakeelenden Leuten wie der Eingang zur Hölle wirkt. Ansonsten präsentiert Fellini fleischliche Freuden: üppige, fettreiche Festgelage und Paraden ebensolcher Prostituierter. In „Julia und die Geister“ geht es hingegen eher um Geistiges: eine Reise durch die Psyche einer Frau, dargestellt von Fellini-Gattin Giulietta Masina. Ein Reigen von Träumen und psychiatrischen Sitzungen als kunterbunter, halluzinogener Drogentrip.

„Fellinis Roma“ 31.1.-1.2. im Nickelodeon; „Giulietta degli spiriti“ (Julia und die Geister) (OmU) 1.2.-2.2. im Filmkunsthaus Babylon

■ Keine kleinen grünen Männchen, keine Androiden im Raumschiff und trotzdem beklemmende Science-fiction bietet „Fahrenheit 451“ von François Truffaut. In der Geschichte vom totalitären Staat, in dem die Feuerwehr nicht zum Löschen, sondern zum Bücher verbrennen ausrückt, gibt es eigentlich nur zwei Dinge, die 1966 wie Zukunftsmusik gewirkt haben müssen: Der riesige Fernsehbildschirm, der in der Wohnung des Feuerwehrmannes Montag (Oskar Werner) und seiner Frau installiert ist, und die an den Transrapid erinnernde Monorail-Bahn, die Truffaut auf einer Teststrecke in der Nähe von Orleans entdeckte.

„Fahrenheit 451“ 27.1.-2.2. im Bali

Lars Penning