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Stockholm-Syndrom im Regenwald

■ Pro 7 will mit einer aufwendigen Eigenproduktion nach tatsächlichen Begebenheiten Quote machen: „Die Geiseln von Costa Rica“, prominent besetzt mit Nina Hoss und Suzanne von Borsody, läuft heute um 20.15 Uhr

Man erinnert sich, da war mal was. Schlagzeilen über die Entführung zweier Frauen in Costa Rica. Urlauberin die eine, Reiseleiterin die andere. Zweieinhalb Monate wurden die beiden von Rebellen im Dschungel gefangen gehalten in der Absicht, Geld für den Kampf um bessere Lebensbedingungen zu erpressen.

Das Drama endete ohne Blutvergießen. Gierig schnappten die Medien nach der Geschichte, umso mehr, als später ein Foto in die Öffentlichkeit gelangte, das die 24-jährige deutsche Touristin in inniger Umarmung mit einem der Guerilleros zeigte – „Stockholm-Syndrom“ nennt man diese Verbrüderung von Opfern und Tätern. Mit dem Film „Die Geiseln von Costa Rica“ setzt sich die mediale Verwertung fort, in Form einer immerhin recht ernsthaften Unternehmung, die die Empfindungen und Beweggründe aller Beteiligten darlegt.

Der Einstieg erfolgt gerade nicht über bereinigte Bilder einer tropischen Bounty-Idylle, sondern zeigt die Reisegruppe schwitzend im Bus auf staubiger Landstraße. Unter ihnen Kiki, eine junge Frau leichten Sinnes, die später als Entführungsopfer noch mitten im Urwald Gedanken darauf verschwenden wird, dass als Beleg eines gelungenen Urlaubs tief gebräunte Haut heimgetragen werden muss.

In der abseits gelegenen Ferienanlage gibt es einen Traumstrand, aber auch Schlaflosigkeit in schwülen Nächten und Probleme mit der Müllentsorgung. In diesen Dingen ist das Drehbuch von Anne Wild und Axel Götz auf unauffällige Weise sehr präzis. Während der Silvesterfeier dann stürmen die Guerilleros den palmenbedeckten Festsaal und entführen die beiden Frauen. In strammem Marsch geht es durch den Urwald, eine Strapaze für alle Mitglieder der Gruppe. Die junge Deutsche verdrängt den Ernst der Lage, bleibt patzig und widerspenstig. Mit kleinen Verrichtungen versucht sie sich ihre Persönlichkeit zu erhalten und zieht sich die Lippen nach, auch wenn sie mit blutiger Kopfwunde und schlammbedeckt auf dem Urwaldboden hockt. In der ersten Hälfte des Films lässt Regisseur Uwe Janson die Vorgänge innerhalb der Zwangsgemeinschaft von einer agilen Kamera genau beobachten. Die beiden Hauptdarstellerinnen Nina Hoss und Suzanne von Borsody bekommen den nötigen Spielraum, die wechselnden Gefühlslagen ihrer Figuren auszudrücken, und sie bewältigen diese Aufgabe ausgezeichnet.

Im zweiten Teil allerdings ändert sich die Handschrift. Schwülstige Klänge wandeln das Martyrium zur Passionsgeschichte, theatralische Effekte wuchten die Vorgänge ins Schicksalhafte. Mit der sich intensivierenden Beziehung zwischen Kiki und einem jungen Guerillero wird das archaische Urwaldcamp zum warm besonnten Liebesnest, die Natur zeigt sich gewogen. Bei Disharmonien aber schlägt heftiger Regen nieder. Derartiger Überfrachtung hätte es bei weitem nicht bedurft. Für sich genommen wäre die Geschichte hinlänglich spannend gewesen. Erst zum Ende zeigt sich wieder die anfängliche Lakonie. Man hätte sie sich für den ganzen Film gewünscht. Harald Keller

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