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Hauianer aller Länder, erinnert euch!

100 Jahre Erleuchtung: Nach Brecht, Schiller und Goethe wird 2000 das Jahr des Hau

„28. Januar 1900. Im Hause des Posthalters Josef Hau und seiner Ehefrau Elena, geb. Strahm, klingen die weingefüllten Gläser. Man feiert die Taufe des ersten Sohnes Arnold Hau. Während der Feier, so berichtet ein guter Bekannter der Familie, sei Großvater Strahm an die Wiege getreten und habe gesagt: ‚Eidibeididaduda KiKiKiKi Kiiiiieks.‘ Darauf soll Arnold fröhlich gelacht haben. Diese Fröhlichkeit ist typisch für den jungen Hau.“

Wie die Anhänger eines konkurrierenden Kultbuchs den 16. Juni als Bloomsday, so feiern die Hauianer den 28. Januar als Hau-Tag. Schließlich stellt dieses Betäufnis das erste verbürgte Lebenszeichen ihres Idols dar. Nach dem Heine-Jahr 1997, dem Brecht-Jahr 1998 und dem Goethe-Jahr 1999 ist nun also endlich das Hau-Jahr 2000 angebrochen. Ob Arnold Hau unter den genannten Jubilaren der bedeutendste war, ist anzunehmen, wird aber erst die Geschichte endgültig erweisen; mit Sicherheit war er der vielseitigste.

Schließlich brillierte er nicht nur als Wissenschaftler mit seiner Studie über das Goethe-und-Schiller-Denkmal von Rietschl, „das tatsächlich beide Dichter darstellt“. Als Philosoph gelang ihm die bislang einzige überzeugende Komiktheorie, der „Tractatus logico-humoristicus“, in welchem er am Beispiel des Nilpferdes bewies, dass der Humor in drei Teile zerfällt. Als Revolutionsdichter schuf er das „Trinklied auf die Oktoberrevolution“, das das ignorante Kultusministerium der UdSSR allerdings kommentarlos zurückschickte. Als Zeichner und Zoologe schließlich beschrieb er anschaulich bis dato unbekannte Tierarten: „Das erbsengroße GRABBELTIER / steigt unbemerkt aus dem Klavier. / Es hat genug von der Musik / und wirft sich auf Atomphysik.“

Tragisch, dass kein einziges seiner herausragenden Talente von seinen Zeitgenossen erkannt und gewürdigt wurde. 1962 startete er einen letzten verzweifelten Versuch, sich Gehör zu verschaffen. Das „Gesetz für die Menschheit“ besteht aus einem ganzen Bündel von Regeln, Vorschriften und Geboten, wie etwa: „So einer den Schnabel allzuweit aufreißt, so soll ihm der Älteste sagen: ‚Reiß den Schnabel nicht allzuweit auf!‘. Fährt er jedoch fort, den Schnabel allzuweit aufzureißen, so soll man ihn gewähren lassen.“ Als die ignorante Mitwelt auch diese Botschaft in den Wind schlägt, resigniert Hau. Er verschwindet spurlos und bleibt bis heute verschollen.

Dieses Schicksal um ein Haar geteilt hätte „Die Wahrheit über Arnold Hau“, die große Hau-Biografie von Robert Gernhardt, F. K. Waechter und F. W. Bernstein. Als die drei Endzwanziger ihren Bucherstling 1966 dem Bärmeier & Nikel-Verlag anboten, rechneten sie selbst nicht mit einem raschen Publikumserfolg: „Wir erwarten nicht, dass der Hau-Geist bei allen Lesern sofort ein großes Pfingsten bewirkt.“ Der Verlag veröffentlichte den „Hau“ mutig dennoch – und musste von den 2.500 Exemplaren der Erstauflage genau 1.397 verramschen. In jener Zeit interessierte sich die Leserschaft mehr für so dröge Backpflaumen wie Hans Schnier oder Gantenbein als für das Genie Hau.

Doch bereits wenige Jahre und eine Studentenrevolte später wurde der „Hau“ endlich erkannt als das, was er bis heute darstellt: Eine bahnbrechend dreiste, radikal komische, die bis dato marktführende Besinnlichkeitshumoristik à la Eugen Roth irreversibel in den Staub des Antiquierten versenkende Rundumverscheißerung nicht nur einer wie auch immer gearteten Gegenposition (denn das wäre Satire, die bei der Gelegenheit gleich mit erledigt wurde), sondern jeglicher unverrückbaren, mit heiligem Ernst gehuldigten Überzeugung, mithin der deutsche Beitrag zur Internationale des Neuen Nonsens und in enger Geistesverwandtschaft zu Eugène Ionescos „Die kahle Sängerin“, „Monty Python’s Flying Circus“ und Wenedikt Jerofejews „Die Reise nach Petuschki“ stehend: Seit dem 28. Januar 1900 wird zurückgelacht.

Für Eckhard Henscheid ist der „Hau“ die „Nonsens-Bibel der wacheren Nachkriegsgeneration“, Bernd Eilert fand durch das Buch „zur endgültigen Erleuchtung“, und Gerhard Henschel rechnet es noch heute „uneingeschränkt zum Guten, Wahren und Schönen, zum Lieferbaren und Lesbaren, zur unmittelbaren Gegenwart.“ Rund 110.000 Käufer hat „Die Wahrheit über Arnold Hau“ bis jetzt gefunden, hundertmal so viele wie bei der Erstveröffentlichung. Robert Gernhardt, der stolze Vater, weiß warum: „Arnold Hau hat die Postmoderne antizipiert.“

Das ist untertrieben. Die Postmoderne ist längst tot, Arnold Hau aber unsterblich geworden. Eidibeididaduda, alter Junge! Bis zum Zweihundertsten!

Klaus Cäsar Zehrer

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