Sind Sie baustellenmüde?: „Schlimmer als jetzt kann es nicht werden“
Ulrike Bagger,39 Jahre, Studentin
Bauen ist ein Wahn, aber man kann nichts dagegen machen. Es ist laut, wird nicht mit den Bewohnern abgesprochen, immer müssen Radfahrer und Fußgänger leiden, und meistens ist es extrem überflüssig. Natürlich hat das auch einen politischen Charakter: Da, wo neu gebaut wird, stampft man alte DDR-Bauten ein und damit auch die politischen Intentionen, die immer am Städtebau dranhängen.
Peter Lindenburger,56 Jahre, Diplomingenieur
Bauen bedeutet Zivilisation, schon seit der Römerzeit. Ich bin Ingenieur, Bauen ist meine Bestimmung. Die Behinderungen stören mich gar nicht. Den Wiederaufbau des Stadtschlosses hab ich erst nicht so begrüßt. Aber nüchtern betrachtet werden moderne Bauwerke vom durchschnittlich Gebildeten gar nicht verstanden. Da ist der Rückgriff auf die Historie, wie beim Hotel Adlon, ganz zweckmäßig.
Marius Strasser,29 Jahre, Student
Noch sind die Baustellen interessant. Ich hab eher Angst, dass es irgendwann zu Ende ist und sich nichts mehr verändert. Ich fahr auch extra vorbei und schau mir die neuen Gebäude an. Insgesamt wird die Stadt aber nicht schöner. Dieser rückwärts gewandte Stil am Pariser Platz ist doch furchtbar. Die Baustellen zeigen, dass die Stadt in Bewegung ist, das Ergebnis ist oft das Problem.
Kurt Unger,58 Jahre, Schulrat
Diese Kreuzung hier war eine Baustelle. Jetzt ist sie fertig und wird gern benutzt. Bald soll sie wieder aufgerissen werden für die U-Bahn. Das dauert Jahre und ist typisch Berlin. Obwohl wir einen Bausenator haben, haben die noch nie eine gute Koordination hingekriegt. Aus dem Alex sollten sie keine Hochhauslandschaft machen. Der Platz ist so schon kalt genug. Traditionelle Ästhetik gibt es nicht in Berlin.
Gerda Müller,75 Jahre, Rentnerin
Über Sand und Bretter steigen, das stört mich überhaupt nicht. Nachher ist es doch auch sehr angenehm, wenn man mit der U-Bahn vom Alexanderplatz bis zum Lehrter Bahnhof fahren kann. Die sollen auch ruhig den Alex bebauen. Schlimmer als jetzt kann es nicht werden. Außerdem werden die in Berlin sowieso nie fertig. Schon vor dem Krieg hatten die immer was zu buddeln.
Patricia Romulus, 20 J.,Studentin aus Washington
Im Ausland sieht man Berlin als eine Stadt mitten im Prozess des Wiederaufbaus – und zwar in einem sehr positiven Sinn. Viele Baustellen, viele neue Gebäude, aber nicht chaotisch. Ich verlaufe mich ständig, aber das liegt an der fremden Sprache. In einigen Jahren wird das Bauen vorbei sein, und dann sieht es toll aus. Jeder versteht das jetzt als einen Wiederaufbau von Gemeinsamkeit nach Jahren der Teilung.
Umfrage: Frauke Niemeyer
Fotos: Jan Nordmann
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