: Depressiver Troll
■ Papierarbeiten von Johan Thomas Lundbye im Altonaer Museum
Während die Kunsthalle ein kraftvolles Panorama norddeutscher und dänischer Malerei in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts aufzeigt, das sich nur in Teilen auf die erstarkende nationale Klein-geisterei zubewegt, bringt das Festival „Danmark til Hamborg“ mit den intimen Papierarbeiten von Johan Thomas Lundbye einen Künstler in die Stadt, der aus innerster Nationalliebe heraus die Landschaften seiner Heimat erwanderte und die kleinen Dinge am Wege bis hin zu einem einzelnen Grashalm zeichnete.
Seine einzige Auslandsreise führte ihn nach Rom. Und weder die Alpen noch die heilige Stadt konnten im ständig mit Minderwertigkeitskomplexen kämpfenden Künstler den Sinn fürs Große wecken. Aus Heimweh brach er den auf zwei Jahre angelegten Aufenthalt nach der Hälfte der Zeit ab und war auf der Rückreise froh, sich in Altona wieder dänisch fühlen zu können – jedenfalls ein bisschen. Es ist also passend, wenn jetzt das Altonaer Museum in edler Präsentation 220 seiner Zeichnungen, Aquarelle und Skizzenbücher aus der Kopenhagener Hirschsprung-Sammlung vorführt.
Kliff und Düne, Pfarrhof und Steingrab, Birke, Buche und Blume, Kuh, Spinne, Elster und Kätzchen: Auf langen Wanderungen entgeht nichts Lundbyes detailgenauem Blick und seiner sicheren Zeichenfeder. Doch wo der Künstler sich selbst mit einem Hügel-Troll zu identifizieren beginnt, kippt die romantische Haltung in unerträgliche Niedlichkeit um. Die Zwergengestalt gar, die einen Storch innigst umarmt, erinnert nur noch an Kleinbürgerei und Kinderbuch. Und muss der depressive Mann wirklich seinem Tagebuch anvertrauen, dass ihm die Tränen der Mutter über eines seiner Bilder der schönste und höchste Lohn sind? Die revolutionäre Romantik, deren Kunsttheorie noch bis heute wirkt, wird hier zu dem Missverständnis von „romantischer“ Innerlichkeit popularisiert.
Seine vielleicht kompensatorische Liebe zur großen Idee des Vaterlands brachte Johan Thomas Lundbye dann den frühen Tod: Als Kriegsfreiwilliger starb er 1848 fern jeder Schlacht mit 30 Jahren an einer Kugel, die versehentlich abgefeuert wurde. Ein geradezu lächerliches Ende für jemanden, der zeitlebens fürchtete, nie etwas richtig zu machen. Hajo Schiff
„Johan Thomas Lundbye 1818-1848 – Ein Künstler des dänischen goldnen Zeitalters: Zeichnungen und Aquarelle“, Altonaer Museum, bis 24. April, der Katalog kostet 25 Mark
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