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Spaniens Linke auf dem Weg à la française

Mit einem Programm wollen Kommunisten und Sozialisten bei den Parlamentswahlen im März die Konservativen übertrumpfen. Ob es auch gemeinsame Listen geben wird, ist noch fraglich ■ Aus Madrid Reiner Wandler

Spaniens parlamentarische Linke glaubt ein Rezept gefunden zu haben, um den Konservativen José María Aznar bei den Wahlen am 12. März nach nur vier Jahren aus dem Regierungspalast La Moncloa zu vertreiben. In der Nacht zu gestern beschlossen die sozialistische PSOE und die kommunistisch beeinflusste Vereinigte Linke (IU) einen Pakt „à la française“. Wie der französische Premierminister Lionel Jospin will der PSOE-Kandidat Joaquín Almunia einer linken Bündnisregierung vorstehen. „Ein gemeinsames fortschrittliches Basisprogramm“ sei ausgehandelt, gaben die Sprecher der beiden Formationen bekannt.

Wie es aussieht, verrieten sie noch nicht. Doch die Debatten der letzten Tage zeigen, dass vor allem die IU wichtige Programmpunkte aufgeben wird. So ließ Almunia keinen Zweifel daran, dass mit ihm ein Nato-Austritt, wie ihn die Kommunisten fordern, nicht zu haben ist. Eine Einflussnahme der IU wird vor allem im sozialen Bereich erwartet. Die Kommunisten wollen die 35-Stundenwoche einführen, Zeitarbeitsunternehmen verbieten und die Gesundheitsreform der Konservativen, die eine Umwandlung der staatlichen Krankenhäuser in selbstständige Stiftungen vorsieht, stoppen.

Die Sozialisten versuchen sich derweil ebenfalls an linker Programmatik und versprechen all das durchzusetzen, was sie in 14 Jahren Regierung González verweigerten. Die Palette reicht vom Ausstieg aus der Atomenergie bis zur völligen Freigabe des Schwangerschaftsabbruches. Am meisten verblüfft Almunia mit seinem Versprechen, die Renten anzuheben. Immerhin war er es, der Ende der 80er-Jahre als Sozialminister den Rentnern in die Tasche griff und einen Generalstreik provozierte.

Uneinig sind sich die beiden Linksparteien nur noch in der Frage der Listen. Die PSOE fordert von der IU den Rückzug ihrer Kandidaten in 14 Provinzen, um so die Stimmen zu bündeln und dort einen Parlamentssitz zu erstreiten. IU-Sprecher Victor Rios will „eine Integration in gemeinsame Listen nicht akzeptieren“, verspricht aber, „weiter nach Möglichkeiten zu suchen, um alle fortschrittlichen Stimmen in Parlamentssitze umzuwandeln.“

Die Übereinkunft zwischen PSOE und IU beendet eine jahrzehntelange Spaltung der spanischen parlamentarischen Linken. Sowohl Almunias Vorgänger González als auch der vor wenigen Wochen zurückgetretene IU-Chefkoordinator Julio Anguita lehnten eine Zusammenarbeit stets ab. Die Kommunisten galten González als Feinde der Integration Spaniens in Europa und die Nato. Die IU warf der PSOE in ihrer Regierungszeit neben der neoliberalen Wirtschaftspolitik ihre Korruptionsskandale vor. Die Abgrenzung gegenüber den Sozialisten teilten nicht alle Mitglieder der IU. Ein Teil des Wahlbündnisses schloss sich vor zwei Jahren der PSOE an. Die IU verlor bei den letzten Regional- und Europawahlen ein Drittel ihrer Stimmen.

Der frisch gekürte IU-Chefkoordinator Francisco Frutos möchte mit dem Bündnis jetzt einen weiteren Aderlass seiner Wahlplattform verhindern. Er verspricht sich vom Pakt mit den Sozialisten eine „außerordentliche Wählermobilisierung“. Über ein Gelingen gehen die Meinungen auseinander. Während die liberale Tageszeitung La Vanguardia am Sonntag einen Vorteil für das neue Linksbündnis von vier Sitzen ausmachte, sah gestern die konservative ABC die Partido Popular von José María Aznar als Sieger.

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