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Moskau meldet Wende im Krieg

■ Russen sollen zentralen Platz in Grosny erobert haben. Weitere Tschetschenen kapitulieren. US-Ministerin Albright in Moskau eingetroffen. Zustimmung zu Putin sinkt

Moskau (rtr/AP/dpa) – Russische Truppen haben nach eigenen Angaben gestern einen strategisch wichtigen Platz im Zentrum der tschetschenischen Hauptstadt Grosny eingenommen. Der Fernsehsender NTW berichtete, die Soldaten hätten den Minutka-Platz unter ihre Kontrolle gebracht. Zudem seien tschetschenische Hekkenschützen aus ihren dortigen Verstecken vertrieben worden. Vor allem die Heckenschützen hatten zuletzt den Vormarsch der russischen Truppen behindert.

Demgegenüber sagte der stellvertretende tschetschenische Stabschef Aslanbek Ismailow der Agentur Interfax, dass seine Kämpfer den Zugang zum Minutka-Platz noch unter Kontrolle hätten. Aus anderen tschetschenischen Quellen verlautete, dass die Tschetschenen ihre Stellungen in Grosny auch weiter hielten.

Unterdessen hat in Grosny erneut eine Gruppe junger Männer vor den russischen Truppen kapituliert. Nachdem bereits am Vortag knapp 140 tschetschenische Kämpfer die Waffen gestreckt hatten, interpretierte Russlands Verteidigungsminister Igor Sergejew dies als „erste Zeichen der Wende“ in der Schlacht um Grosny und erklärte, dass er mit weiteren Waffenniederlegungen rechne.

US-Außenministerin Albright traf zu Beginn ihres dreitätigen Russlandbesuchs mit ihrem Amtskollegen Iwanow zusammen. In dem Gespräch wolle sie die kritische amerikanische Sichtweise der Geschehnisse in Tschetschenien deutlich machen, kündigte Albright vor ihrer Ankunft an.

Sie wird auch mit dem amtierenden russischen Präsidenten Wladimir Putin zusammentreffen. Auf dem Flug nach Moskau kritisierte Albright noch einmal den russischen Feldzug gegen die Kaukasusrepublik. Wenn der Krieg nicht beendet werde, drohe Russland eine internationale Isolierung.

Nach Angaben von Außenamtssprecher James Rubin will Albright erreichen, dass das russische Parlament das Start-II-Abkommen über eine Verringerung der strategischen Atomwaffen ratifiziert. Ein weiteres Thema ist die Änderung des ABM-Vertrags, der beide Großmächte an der Errichtung einer landesweiten Verteidigung zur Abwehr ballistischer Raketen hindert.

Unterdessen kann Wladimir Putin einer letzten Umfrage zufolge derzeit offenbar nicht mit einer absoluten Mehrheit bei der ersten Runde der Präsidentenwahl am 26. März rechnen. Einer Umfrage des russischen Fernsehens zufolge gaben nur 48 Prozent der 1.600 Befragten an, für Putin stimmen zu wollen. Noch in der Vorwoche hatten sich 55 Prozent für Putin ausgesprochen.

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