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Die Lunte am Pulverfass brennt

Nigerias Präsident Obasanjo versucht, die Spannungen in seinem Land mit harter Hand zu beenden. Vergeblich: Seine Drohungen steigern die Unruhe ■ Aus Lagos Jahman Anikulapo

Beobachter fürchten, dass der Präsident erst anfängt, seine tyrannischen Züge zu offenbaren und sich als Mann des impulsiven Handelns zu zeigen

Als Präsident Olusegun Obasanjo drohte, auf Lagos einen Ausnahmezustand loszulassen, klang er wie ein durchgefallener Politikstudent. Das Wort Ausnahmezustand gefällt Nigerianern nicht – vor allem aus dem Mund des Präsidenten einer nicht einmal ein Jahr alten Demokratie, der selber nur mit Glück zum Nutznießer eines langen Kampfes gegen die Militärherrschaft wurde. Ausnahmezustände in Nigeria münden allzu oft in Militärputsche, da sie erst dem Militär die Plattform geben, die Macht an sich zu reißen.

Es war am 13. Januar, dass Obasanjo dem Gouverneur von Nigerias größter Stadt Lagos, Alhaji Bola Ahmed Tinubu, Versagen vorwarf im Kampf gegen „die willkürliche Zerstörung von Leben und Eigentum, Plünderung und anderer Formen kriminellen Handels, begangen von der illegalen Organisation, die sich OPC nennt (Oodua Peoples Congress)“. Der OPC ist eine radikale Organisation des südnigerianischen Yoruba-Volkes, die in Teilen von Lagos als Miliz auftritt und für Gewalt gegen Polizei und Nichtyorubas verantwortlich gemacht wird. Sie werde, so der Präsident, vom Gouverneur durch „unvorsichtige Äußerungen“ unterstützt, und es sei daher „zunehmende Unordnung“ und ein „allgemeines Angstgefühl“ zu verzeichnen. Dies sei eine „unhaltbare Lage“, die die Bundesregierung „in der Form der Verhängung eines Ausnahmezustands“ beenden müsse.

Obasanjos Erklärung beherrscht seitdem die politische Debatte in Nigeria. Schon im November 1999 hatte die Regierung mit einem Ausnahmezustand gedroht, um die Rebellionen in den Ölfeldern des Niger-Deltas zu beenden. Panzer und mit Drogen vollgepumpte Soldaten machten daraufhin am 20. November die Stadt Odi mit 25.000 Bewohnern dem Erdboden gleich.

Die Odi-Krise begann so, wie die Lagos-Krise jetzt begonnen hat: Mit einem Drohbrief des Präsidenten an den Gouverneur des zuständigen Bundesstaates, in diesem Fall Gouverneur Dipriyie Alayamisiegha des Bundesstaates Bayelsa. Er, so der Vorwurf, habe zu wenig getan, um Jugendmilizen in Schach zu halten, die unter anderem elf Polizisten entführt hatten. Der Gouverneur geriet in Panik, die Jugendlichen töteten die gefangenen Polizisten, Obasanjo schickte die Armee hinterher, und Odi wurde zum Inbegriff dafür, wie man eine politische Krise nicht löst.

Beobachter fürchten nun, dass der Präsident damit erst anfängt, seine tyrannischen Züge zu offenbaren und sich als Mann des impulsiven Handelns zu zeigen. Delikat wird das dadurch, dass diese zweifelhaften Attribute auch die Reaktion des Gouveneurs von Lagos, Tinubu, auf Obasanjos Drohbrief kennzeichneten. Tinubu, während der Militärherrschaft in der Demokratiebewegung aktiv, begegnete dem Präsidenten auf Augenhöhe.

Er sei nicht daran schuld, dass sich in Lagos die Sicherheitslage verschlechtere, erklärte Tinubu. Es sei ja schön, dass sich die Bundesregierung endlich für Lagos interessiere; aber wie könne der Präsident so tief sinken, ihn zum geheimen Förderer des OPC zu stempeln, eine als ethnische Miliz verkleidete Räuberbande? „Der Präsident sollte wissen, dass ich mir meiner verfassungsmäßigen Verantwortung voll bewusst bin“, aber man gewähre ihm nicht die nötigen Mittel, erklärte der Gouverneur. „Die Polizei ist unterbesetzt, schlecht ausgerüstet, schlecht motiviert und demoralisiert.“ Nigerias Sicherheitsapparat müsse umstrukturiert werden, damit die einzelnen Bundesstaaten ihre Sicherheitsorgane selber kontrollieren.

Damit lenkte Tinubu die Debatte in Richtung einer alten Forderung der Demokratiebewegung des Yoruba-Volkes: Eine Nationalkonferenz zur Umstrukturierung des nigerianischen Staates, in der alle ethnischen Gruppen des Landes sich zusammenzusetzen und über die Form ihres zukünftigen Zusammenlebens diskutieren. Für die Regierungspartei PDP (Demokratische Volkspartei), der Obasanjo angehört, und die einstigen Machthaber aus dem Norden Nigerias ist diese Forderung ein Trick, um die Macht in Nigeria in den Süden zu verschieben.

Und so war es nicht verwunderlich, dass die Elite Nordnigerias Obasanjo zur Seite sprang. Ein „Northern Senators Forum“ verurteilte die Aktivitäten der „terroristischen Organisation“ OPC und forderte, Sicherheitskräfte sollten Zuwanderer in Lagos schützen, „um Racheangriffen in anderen Landesteilen vorzubeugen“.

Diese Erklärung schürte die Spannung weiter. Südnigerianische Politiker wiesen darauf hin, dass die nördlichen Senatoren zwar die OPC verurteilten, aber die im Norden als Gegenmiliz gebildete APC (Arewa Peoples Congress) unterstützten. Dass es dabei nicht nur um Wortgefechte geht, machen die jüngsten Ereignisse in Kwara deutlich – ein von Yoruba besiedelter Bundesstaat an der Grenze zwischen Nord und Süd. Islamisten haben dort zwölf christliche Kirchen niedergebrannt.

Obasanjo erweist sich nun in den Augen mancher als Politiker, der die Maschinerie seiner Partei PDP, die ihn an die Staatsspitze hievte, nicht im Griff hat. PDP-Scharfmacher übertrumpfen sich mit persönlichen Attacken auf Tinubu, der zur oppositionellen Yoruba-dominierten Partei AD (Allianz für Demokratie) gehört. Beim PDP-Parteitag im Herbst hatten einige Minister Obasanjo bereits offen kritisiert, weil er die Besetzung von Parteiposten beeinflussen wolle.

Zugleich wird die Beziehung zwischen Obasanjo und seinem eigenen Yoruba-Volk immer schlechter, Die traditionellen Yoruba-Führer von Lagos haben den Präsidenten aufgerufen, sich nicht „zum Instrument in den Händen von Feinden der Yoruba zur Zerstörung der Yoruba-Nation zu machen“. In Lagos selbst ist der OPC in den Untergrund gegangen, die Polizei sucht mit einem Großaufgebot den Führer des militanten OPC-Flügels, Ganiyu Adams.

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