Kommentar:
Uni-Misere ■ Wissenschaftsrat ist Speerspitze des Problems
Wegen mangelnder Kooperationsbereitschaft, so offenbart der Wissenschaftsrat, sei die Reform der Berliner Universitäten gescheitert. Die Abwicklung von „Doppelangeboten“ und die Konzentration von Fächern jeweils an nur einer Uni, diese dringenden „Reformen“ würden von den Unis blockiert und ausgesessen. Der Wissenschaftsrat als Vorkämpfer für Innovation und Bewegung gegen die schwerfälligen Uni-Tanker – endlich jemand, der den Reformern eine Stimme gibt!
Dabei bildet der Wissenschaftsrat die Speerspitze jenes Kartells aus Professoren und Ministerialbürokraten, das die Misere maßgeblich zu verantworten hat. Es sind gerade dessen notorische Empfehlungen zum „Abbau von Mehrfachangeboten“, zur „Harmonisierung“ und „Abstimmung“ der Profile, die das lähmende Einerlei von Mittelmaß, Lethargie und Lustlosigkeit am Experiment hervorgebracht haben. Diese zwischen bürokratischer Planungseuphorie und larmoyantem „Die 68er sind an allem schuld“ verortete Ideologie des „immer gleicher“ geht an den wirklichen Ursachen der Misere vorbei.
Autonomer, flexibler, experimentierfreudiger muss sie sein, die Uni, die wieder Spaß macht. Frei von staatlicher Planung und bürokratischer Steuerung, dafür eng verbunden mit gesellschaftlichen Ansprüchen – mitten im Leben sozusagen. Das erreicht man nicht durch Konzentration und Harmonisierung, sondern durch Vielfalt, Wettbewerb und Konkurrenz. Profilbildung heißt auch Abgrenzung, heißt auch an verschiedenen Unis in gleichen Fächern verschiedene Schwerpunkte zu setzen. So sind zum Beispiel Geschichtswissenschaften an FU und TU mit ihren unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen eben nicht das Gleiche und keine wäre für das jeweilige Universitätsprofil verzichtbar.
Keine Frage: Die inhaltlichen und strukturellen Reformen gehen zu langsam und oft auch in die falsche Richtung. An den Unis sitzen die professoralen Besitzstandswahrer fest im Sattel. Doch mit dem Wissenschaftsrat als vorgeblichem Motor zukunftsweisender Reformen macht man den Bock zum Gärtner. Bernd BenderDer Autor ist Diplomingenieur und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU Berlin
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