Ein neuer Riese auf dem Telekom-Markt entsteht

Mit der Fusion von Vodafone und Mannesmann übernehmen erstmals Mobilfunker die Marktführung beim Telefonieren. Und sie werden erste Adresse beim Internetsurfen

Jeder interessante Datenanbieter wird in Zukunft bei der mobilen Nummer eins Vodafone zumindest anfragen

Die Meute der Telekom-Konzerne hat einen neuen Anführer, und zwar einen Mobilfunker. Wie auch immer der neue Gemeinschaftskon-zern aus Vodafone Airtouch und Mannesmann heißen mag, mit einem Aktienwert von etwa 700 Milliarden Mark liegt er weit vor den anderen – selbst vor den etablierten Riesen wie der Deutschen Telekom, der japanischen NTT oder dem US-Fernverbinder AT & T.

Solche astronomischen Börsenzahlen machen nicht nur einige Aktionäre reich, sie verdeutlichen auch einen Machtwechsel im Reich des Telefonierens und der Datenübertragung. Auf dem lange streng regulierten Telefonmarkt herrschten all die Jahrzehnte die großen, meist staatlichen Festnetzbetreiber. Sie machen immer noch gute Gewinne und transportieren auch weiterhin den Löwenanteil der weltweiten Kommunikation. Doch mit den Funknetzen haben sie Konkurrenz bekommen, die sie empfindlich trifft.

Die Ex-Monopolisten mögen zwar mehr Kunden haben, die Mobilfunker aber haben die besseren: die Jungen, die besser Verdienenden, die, die nicht aufs Geld achten und viel und weit telefonieren. Und der neue Vodafone-Mannesmann-Konzern hat mit 29 Millionen in Europa mehr Handy-Kunden als alle Konkurrenten. 14 Millionen davon bingt Mannesmann in die Ehe. Das ist viel, auch wenn noch einige davon aus kartellrechtlichen Gründen wieder abgegeben werden müssen. Speziell die Vodafone-Tochter Orange, gerade erst für 60 Milliarden Euro gekauft und die Nummer zwei hinter Vodafone auf dem britischen Handymarkt, ist den Wettberwerbshütern ein Dorn im Auge. Doch daran soll der Deal nun nicht mehr scheitern, es wird sich schon ein Käufer für die britische Orange finden.

Der neue Riesenkonzern wird gleichzeitig der neue Maßstab für die Branche sein. Alle werden beobachten, ob sich die erwarteten berühmten Synergieeffekte einstellen. In diesem Fall lautet die Geschäftstaktik: Wir haben ein Mobilnetz fast überall auf der Welt. Wir sind stark in den USA, Großbritannien und auf dem europäischen Festland. Egal ob Privatmann oder Weltkonzern, wer mit uns telefoniert, kommt immer durch.

Und der mobile Marktführer ist künftig automatisch eine der ersten Adressen, wenn es um Partner Suchende aus verwandten Branchen geht – zum Beispiel Internetunternehmen. Ihr Geschäft hängt derzeit praktisch zu hundert Prozent am Personal Computer. Vom Schreibtisch aus wird gesurft, bestellt, werden Daten heruntergeladen, Bankgeschäfte erledigt. Der derzeit herrschende Trend geht jedoch zum mobilen Internet – surfen vom Strand, Geld überweisen von der Parkbank oder Geschäftsdaten prüfen vom Taxi. Wenn all die hoffnungsfrohen Internetanbieter ihre Kunden mobil machen wollen, brauchen sie nach dem derzeitigen Stand der Technik die Datenübertragung über die Handynetze. Jeder interessante Datenanbieter wird bei der mobilen Nummer eins Vodafone zumindest anfragen. Die anderen Telekommunikationskonzerne müssen sich nicht nur an diesem Angebot messen lassen. Sie werden gleichzeitig alle zu potenziellen Übernahmekandidaten. Nicht, dass Vodafone schon irgendwelche Absichten geäußert hätte. Aber ein 700-Milliarden-Mark-Riese kann mit jedem die Aktien tauschen und wird immer die Mehrheit im Konzern behalten. Weitere Fusionen in der Branche werden also folgen.

Reiner Metzger