: Politik, lustig und leicht gemacht
■ Neu im Kino: Fernando Pérez' gut gelungener Film „Das Leben, ein Pfeifen“
Zurzeit träumen viele im Westen von Kuba. Die Musik des „Buena Vista Social Club“ ist in aller Ohren und der Thrillerautor Martin Cruz Smith lässt seinen russischen Polizisten Arkady vom „Gorky Park“ an die „Havanna Bay“ reisen. Da wäre es doch auch interessant zu sehen, wovon die Kubaner selbst träumen. Dass das Land so heruntergekommen ist, macht ja (böse gesagt) einen großen Teil seines Reizes aus, aber dadurch liegt natürlich auch die eigene Kultur darnieder. So wurde im Jahr 1998 nur ein einziger Spielfilm in Kuba produziert, aber zum Glück ist dieser extrem gut gelungen. „Das Leben, ein Pfeifen“ erzählt von drei Menschen in Havanna. Sie werden von einer merkwürdig in den Elementen schwebenden Fee auf ihrer Suche nach dem Glück begleitet. Sie ist auch unsere Reiseführerin durch die Stadt und durch merkwürdige Geschichten, in denen alles zur Metapher wird.
Marina ist eine junge begabte Balletttänzerin mit gesundem Appetit nach Sex. Aber sie schwört ewige Enthaltsamkeit, wenn sie nur die Rolle der „Giselle“ bekommt. Prompt entpuppt sich ihr neuer Tanzpartner als die große Liebe ihres Lebens. Julia ist als Altenpflegerin selbst alt geworden, leidet unter Gähnattacken und fällt in Ohnmacht, wenn sie das Wort „Sex“ hört. Elpidio schließlich ist Musiker. Er hat Visionen von alten Musikern und ist ein Filou. Deshalb hat seine Mutter ihn schon früh verstoßen, und er wartet seitdem sehnsüchtig auf ein Zeichen von ihr.
Diese strenge, vermisste und große Mama heißt „Kuba“, und spätestens wenn er diesen Namen hört, merkt auch der letzte Zuschauer, dass Peréz hier mehr erzählt als pittoreske Geschichten. Diese tragen wohlgemerkt den Film sehr leicht und beschwingt, aber Peréz hat auf einer anderen Erzählebene auch einen sehr politischen Film gemacht. Dieser in Symbolen, Metaphern und zweideutigen Dialogstellen sprechende subversive Stil war ja in allen realsozialistischen Staaten hochentwickelt. So konnte man seine Botschaften an den Scheren der Zensoren vorbeischmuggeln, und die Eingeweihten wussten noch jedes Staubkorn politsch zu deuten.
Aber Peréz hat „La Vida Es Silbar“ (so der Originaltitel) mit Zeichen vollgestopft, so dass es eher Spiel zu sein scheint als blutiger Ernst. Da fallen in einer sehr komischen Szene die Menschen reihenweise in Ohnmacht, nur weil jemand die Worte „Freiheit“, „Wahrheit“ und „Doppelmoral“ ausspricht. Da werden Schnecken als bewundernswerte Tiere angebetet. Am Schluss wird der Insel das vollkommene Glück für das Jahr 2020 verordnet. Da tun die Menschen dann nichts als pfeifen.
Fernado Pérez hat einen ganz eigenen surrealen Humor. Wenn man unbedingt die passende Schublade dafür sucht, kann man ihn unter „magischer Realismus“ einordnen, aber so lebensfroh wie er erzählen auch in Lateinamerika nur wenige.
Wilfried Hippen
Schauburg, OmU
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen