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Mächtig und ein wenig feige

■ Der Chor der Hochschule für Künste führt Arthur Honeggers „König David“ auf. Wir sprachen mit der Chorleiterin Friederike Woebcken

Arthur Honeggers „Le Roi David“, geschrieben 1921 für das Volkstheater von Mezières, ist ein schwer einzuordnendes Werk: nicht Musiktheater, nicht Oratorium und doch beides zugleich. Das Werk zeigt das sinnenfreudige Lebenstableau des biblischen Hirtenjungen David, der am Hof des Saul durch seine Musik und seine Heldentaten – der Kampf mit Goliath – große Anerkennung gewinnt. Als Lüstling und Weiser, als König der Israeliten erlebt er am Ende eine Engelsvision, die den Messias prophezeiht. Der große Hochschulchor der Hochschule für Künste und der Uni Bremen führen das Werk unter der Leitung von Friederike Woebcken auf. Sie sprach mit der taz über das Werk.

taz: Wie kam es zu der Wahl des geradezu urigen Werks?

Friederike Woebcken: Ich habe ja feste Rahmenbedingungen. Ich muß als erstes fragen: Was ist machbar? Dann: Was ist nicht ganz gängig? Dann: Was begeistert junge Leute, die nicht unbedingt Chorsänger sind? Das Werk hat auch auf mich immer einen ungeheuer starken Eindruck gemacht. Honegger hat „König David“ ja für einen Laienchor geschrieben, das waren damals die Bauern, dazu kamen MusikstudentInnen. Und er benutzte das Blasorchester vor Ort. Es gibt in den 27 Stücken dieser Partitur also ganz Einfaches und wiederum überraschend Schweres.

Wenn man sich das Leben vom biblischen David vergegenwärtigt: Welche Auswahl triff Honegger, welche Akzente setzt er?

Er bringt ihn schon in seiner ganzen Widersprüchlichkeit. Einerseits ist David ein Erfolgs-, ja Machtmensch, dann aber auch ein bisschen feige.... Der Librettist André Morax hat filmschnittartig Szenen zusammengesetzt. Der Chor gestaltet kommentierende und emotionale Schichten dazu. Er bildet zum Beispiel das Weinen des David, nicht David selbst.

Ist das denn nicht eher auch Musiktheater, wenn man an die beiden Sprechrollen denkt?

Natürlich, ursprünglich ist das ja ein Bühnenwerk und auch mit Schauspielern aufgeführt worden. Der Chor hat sich bewegt.

Arthur Honegger hat gesagt, dass er „dem Mann auf der Straße verständlich sein wolle“. Seine Musik besteht aus orientalischen Anklängen, aus freier Tonalität, Pentatonik, Bach und Händel ... Welche interpretatorischen Probleme ergeben sich daraus?

Es ist sehr sehr schwer, diese Kurzatmigkeit zu verdichten. Darin liegt aber auch die unglaubliche Originalität und Eigenständigkeit des Stückes. Ich kann nicht nachvollziehen, dass man Honegger häufig Naivität vorgeworfen hat.

David mit seiner Leier ist der Inbegriff des Musikers, auch der Wirkung von Musik geworden. Er heilt ja die Depressionen des Saul. Setzt Honegger dies um?

Erstaunlicherweise genau nicht. Er arbeitet eher die kriegerischen Seiten heraus. Es gibt da einen Marsch der Philister, das ist eine bizarre Musik, grell und grotesk ...

Sie teilen Ihre Professur für Chorleitung auf für die Schulmusikerinnen der Universität und für die Kirchenmusiker an der Hochschule für Künste. Welche Probleme ergeben sich da für den Chor?

Die Gruppe wird sehr heterogen. Einige StudentInnen der Hochschule sind pflichtweise da – sie müssen zwei Semester Chor machen. Andere, die der Uni, sind freiwillig da. Dann gibt's noch Sänger-Innen aus anderen Fakultäten.

Kann man – chortechnisch gesehen – Instrumentalstudenten als Laien bezeichnen?

Das ist unterschiedlich. Es gibt wirklich einige, die zum ersten Mal singen, dann welche aus ganz anderen Fächern, die jahrelang in Chören sind. Das mischt sich unberechenbar und ist jedesmal anders, da dieser Chor ein Projektchor ist.

Unterscheidet sich das Dirigieren von Chören und Orchestern?

Ja, sehr! Bei gleichen Funktionen verlangt das Orchester einen klaren Schlag und der Laienchor Zuwendung und Klangsuggestion.

Es scheint mir ein tief verankertes Misstrauen von Instrumentalprofis gegenüber Chordirigenten zu geben. Woran liegt das?

Eine gute Frage. Ich denke, die Entstehung der großen Laienchöre im neunzehnten Jahrhundert hat bewirkt, dass Chorleiter jenseits aller musikalischen Arbeit positiv motivieren müssen. Da geht viel Kraft hinein. Ich muss wissen, wie funktioniert Stimme unter diesen Bedingungen, und nicht nur mahnen: Ihr seid zu früh, Ihr seid zu tief. Wenn das ganze Motivationspalaver wegfällt, muss man eine ganz andere Rolle spielen. Das ist schwer. Ute Schalz-Laurenze

heute, 18 Uhr, in der Kirche St. Lamberti/Oldenburg und Sonntag, 17 Uhr, in der Kirche Unser Lieben Frauen in Bremen. SprecherInnen: Barbara Kratz und Renato Grünig.

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