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Befreit Österreich von den Brechnäpfen!

■ Dieter Hildebrandt und die Philharmonischen Cellisten begeisterten in der Glocke

Ein ausverkaufter Saal ist nicht immer gleichbedeutend mit hoher Qualität der Veranstaltung. Das gilt auch, wenn in der Glocke ein so bekannter Kabarettist auftritt wie Dieter Hildebrandt mit seinen „Philharmonischen Cellisten“. Nehmen darüber hinaus in den ersten Reihen überwiegend Besucher Platz, denen man gut und gerne die Mitgliedschaft im Lions-Club zugesteht, trägt dies nicht gerade zur Erwartungshaltung eines Abends voller spritzigen Humors bei. Manche Befürchtungen dieser Art bestätigten sich gleich zu Beginn des Auftritts, als Hildebrandt den Abend mit einigen schwachen Witzen einleitete. So unterbrach er die Philharmonischen Cellisten bei dem Vortrag eines kammermusikalischen Werks mit der unkomischen Begründung, sie hätten die Bühne in der falschen Reihenfolge betreten: „Entschuldigen Sie meine Damen und Herren, dass ich dieses Stück einfach so unterbreche...“, etwas erzwungenes Gelächter erfüllte den Saal, „aber ich bin dafür zuständig, die Ü-Musik, überflüssige Musik, zu verhindern“. Nun ja ...

Unvermittelt aber schlägt Hildebrandt den Bogen von klassischer Musik zu seinem Spezialgebiet; der Politik. Und da brennt er ein wahres Feuerwerk an geistreichen Einfällen und Slapsticks ab. Mit schwarzem Humor gelangt er von Ossis zu Ösis, assoziiert mit dem Namen Wolfgang Schüssel einen Brechnapf, um schließlich Verteidi-gungsminister Scharping prophetisch in den Mund zu legen: „Wenn das so weiter geht, müssen wir Österreich wieder befreien.“

Dann das Unvermeidliche: die Spendenaffäre der CDU. Die vollkommen glaubhafte Geschichte des vergesslichen Wolfgang S. bekommt das Publikum nun zu hören. Dieser Wolfgang S., der Herrn Schreiber zunächst nie gesehen, dann zwar getroffen, aber nicht gesehen, schließlich wieder getroffen, aber zum zweitenmal nicht gesehen haben will: „Das verdoppelt seine Glaubwürdigkeit“. Zum Schluss habe man ihm gesagt, dass er Mitglied der CDU sei. „Da war er überrascht“.

Es ist die scheinbar gutgläubige Art, das Hervorkehren des naiven, alles glaubenden Bürgers, die Hildebrandts Komik ihren Reiz verleiht. Und das trotz altbekannter Kabarettistentechnik, die sprachliche Eigenarten wie Gerhard Schröders „Ich sach mal“ aufs Korn nimmt und Tendenzen der politischen Wortwahl seziert wie das „einräumen“ der CDU-Funktionäre in Zusammenhang mit dem Spendenskandal („Bald räumt auch der Bankräuber ein, dass er die Bank ausgeräumt hat“).

Nicht mithalten konnten da die Philharmonischen Cellisten. Die Palette möglicher musikalischer Gags wurde in der Vergangenheit von unterschiedlichsten Ensembles bereits voll ausgeschöpft. Schräge Interpretationen klassischer Werke wie „Tristan und Isolde auf dem Oktoberfest“ oder frappierende Mixturen aus Nationalhymnen und Sinfonien sind schon alte Hüte. Musikalisch zweifellos hervorragende Instrumentalisten, ernteten sie für ihre müden Gags nicht mehr als ein paar höfliche Lacher.

Es zeigt jedoch auch die Klasse eines Dieter Hildebrandt, wenn die humoristisch mäßige Leistung der Musiker an diesem Abend nicht weiter ins Gewicht fiel.

Johannes Bruggaier

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