Mehr Bildung auf der Kippe

■ Kippenberg-Gymnasium verkürzt Schulzeit bis zum Abi auf zwölf Jahre / Modell wurde den Eltern vorgestellt / Nichts für „verspielte Kinder“ - Französisch oder Latein ab der 6. Klasse

Die Aula des Kippenberg-Gymnasiums war brechend voll. Rund dreihundert Eltern, deren Kinder derzeit die vierte Klasse besuchen, waren gekommen, um sich über den geplanten Schulversuch des Kippenberg-Gymnasiums zu informieren. Seit letztem Freitag, berichtete der Orientierungsstufenleiter Wulf-Ingo Schlöpke, stünde fest, dass bereits vom kommenden Jahrgang an die Schulzeit von dreizehn auf zwölf Jahre verkürzt werden soll. Der Modellversuch war in den Koalitionsverhandlungen im vergangenen Sommer zwischen CDU und SPD vereinbart worden.

Um den Lehrplan zu erfüllen, muss der Unterricht gestrafft werden, und das, so erklärte Schlöpke, hat Auswirkungen schon in der Orientierungsstufe (OS). Die Schüler und Schülerinnen werden bereits ab der 6. Klasse eine zweite Fremdsprache (Latein oder Französisch) lernen. Ein weiterer Unterschied zu der üblichen Orientierungsstufe besteht darin, dass es keine Binnendifferenzierung in den Fächern Deutsch, Mathematik und Englisch geben wird. Schwächere Schüler werden also nicht mehr gesondert betreut und gefördert.

„Langsam lernende Kinder“ sind nach dem Kippenberg-Konzept auch nicht die Zielgruppe des Versuchs. Der „freie Elternwille“, über die Schullaufbahn der eigenen Kinder zu entscheiden, sei hier nicht mehr wirksam, sagte Schlöpke. Ausschlaggebend soll die Leis-tung der Kinder sein, ihre „Denkfähigkeit“, „Selbständigkeit“ und für die musischen Fachklassen auch die „Bereitschaft, ein Musikinstrument“ zu erlernen. Dennoch betont die Schule, dass „das Angebot zur Verkürzung der Schulzeit keine Einrichtung allein für Hochbegabte“ sein soll.

Auf die musische Ausrichtung seiner Schule legt der OS-Leiter besonderen Wert. Von den fünf parallelen Klassen in der OS wird eine einen Kunst- und eine einen Musik-Schwerpunkt haben.

Wie sie über Begabung entscheiden sollen, wollten Einzelne der Eltern wissen. Schließlich würden in den Grundschulen kaum noch Noten in den künstlerischen Fächern gegeben. Schlöpke betonte, dass dieser neue Schultyp ohnehin nicht in die bremische Orientierungsstufen-Landschaft passe, die OS am Kippenberg werde „gymnasial bezogen“ sein, Rücksprache mit den GrundschullehrerInnen müsse auf jeden Fall gehalten werden. Und er beruhigt die Eltern, dass ja auch bisher rund 85 Prozent der Kippenberger OS'ler für das Gymnasium empfohlen werden, da sei „die Sozialstruktur des Stadtteils“ Schwachhausen ausschlaggebend. „Aber das ist doch eigentlich keine OS mehr, was hier entsteht“, bemerkte eine Mutter. Dem Applaus im Saal entgegenete Schlöpke: „Wenn Ihr Kind noch verspielt ist, empfehle ich eine andere OS.“

Als sich vor einem Jahr das Alte Gymnasium für den Modellversuch beworben hatte, da war es noch ein Argument, dass die Idee der Orientierungsstufe nicht leiden sollte unter dem neuen Curriculum – das Modell des AG sah auch fünfte und sechste „gymnasiale“ Klasse vor. Am Kippenberg bleibt von der OS vor allem das Etikett. Beim Übergang in die 7. Klasse entscheiden auch nicht mehr die Eltern, sondern Lehrer und die Leistungen.

Von den fünf 5. Klassen sollen sich drei aus Schülern des traditionellen Einzugsgebiets des Kippenberg in Schwachhausen zusammensetzen, maximal 60 SchülerInnen aus anderen Stadtteilen können in dem Schulversuch aufgenommen werden.

Wie das neue Bildungsangebot von den Eltern angenommen werden wird, wird die Schule in den nächsten Tagen erfahren, Anmeldeschluss für die 5. Klassen ist der 15. Februar. Am Dienstagabend jedenfalls fanden die Formulare reißenden Absatz. DoKo