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Umtauschmomente ■ Von Elke Wittig

Zu den schlimmen Momenten des Konsumentenlebens gehört der Umtausch. Denn so etwas wie unbrauchbare Ware kommt im Wortschatz der meisten Umtauschverantwortlichen nicht vor, weggeworfene Kaufbelege liegen sogar eindeutig jenseits ihrer Vorstellungskraft. Diesmal aber musste es sein, denn die für 12 Mark bei Kaiser’s erworbene Personenwaage ist eindeutig kaputt. Der für Reklamationen zuständige Filialleiter spricht aber schon mit einem Mann im Jogginganzug. Der ein ganz anderes Waagen-Problem hat: „Sagen Sie doch bitte der netten Frau da vorn an der Brottheke, dass ihr Auto den Weg versperrt!“ In noch deutlich hörbareren Anführungszeichen kann man das Wort „nett“ nicht sprechen.

Ärger witternd macht sich der Chef höchstpersönlich auf den Weg. Mit ihm der Typ, und sofort geht es rund. „Du Arschloch“, schreit die sperrige Frau den nicht weniger sperrigen Mann an, der kontert: „Du blöde fette Kuh“, während der Filialleiter unverdrossen versucht, die Sache mit dem Auto zu klären. Ohne Erfolg, denn während sich die beiden Kontrahenten viel Mühe geben, jedem im Laden klarzumachen, wer von beiden die „Schlampe“ respektive der „Flachwichser“ ist, bleibt die Kaiser’s-Zufahrt zugeparkt. Und die Waage unumgetauscht.

Der Filialleiter muss schließlich erst mal schlichten. Vergebens: Denn die Joggingdame hat mittlerweile zwar ihr Brot gekauft, aber ins Auto steigt sie deswegen noch lange nicht. Erst muss sie noch den Joggingherrn massiv anrempeln. Ein schwerer Fehler, denn der hatte gerade erklärt: „Wenn de keene Frau wärst, hätt ick der schon draußen eene jelangt“, und so jemand schubst immer zurück. Dabei fällt das Brot auf den Boden, und nun verlangt die Frau Schadenersatz. Um diesen Anspruch zu untermauern, rempelt sie den Typen noch mal an, der schubst – große Überraschung – wieder zurück. Die Frau fällt daraufhin um wie Andy Möller in seinen besten Zeiten, schreit: „Mein Fuß!“, danach ist kurz Ruhe, bis sie sich für einen Fuß entschieden hat. „Ruf doch jemand die Bullen!“, schreit sie. Prima Idee. Der Filialleiter kommt jedoch nicht sofort zum Telefonieren, vorher muss er die Waage in Empfang nehmen. Ein kurzes „Die ist nämlich kaputt!“ genügt ihm, Kassenzettel will er auch keinen sehen und schon gar keine ausführliche Erklärung hören, der Mann hat für heute eindeutig genug Kundenkontakt.

Nun gilt es, schnell in den Verkaufsraum zu kommen, bevor die Polizei eintrifft. Denn was soll man der schon sagen? Nehmen Sie gleich beide mit? Zehn Minuten später ist die Polizei zwar immer noch nicht da, aber dafür sind die beiden Kämpfer deutlich leiser geworden, sie sitzen nebeneinander auf dem Packtisch und glubschen böse vor sich hin. Der Filialleiter hat sich dagegen versteckt. „Sind Sie die Frau mit der Waage?“, fragt die Kassiererin streng. Jetzt ist er also da, der große Moment. Kurz noch einmal alles zu Hause Einstudierte rekapituliert, dann kann es auch schon losgehen: „Ja“. Die Kassiererin kühl: „Hier sind Ihre 12 Mark!“ 500 Meter weiter wird klar, warum die Polizei noch nicht bei Kaiser’s sein konnte. Sie steht mit Blaulicht vor Karstadt. Wahrscheinlich, weil dort jemand beim Umtauschen durchgedreht ist.

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