Lediglich eine Art Halt

Gesampelte Mythen, nette Bandmodelle: Solex und Geschmeido treten im Maria auf

Ein paar Mythen kommen immer gut. Sie haben ihren Ursprung in ein paar unspektakulären Annekdötchen, werden dann als Flüsterpost wundersam weitergereicht und statten den Popkünstler bald mit dem nötigen Glamour aus. Auch Elisabeth Esselink aka Solex hat ein paar dieser semispektakulären Legenden und biografischen Bausteine anzubieten.

Solex arbeitet eigentlich nur mit einem Sampler. Da sie einen Secondhand-Plattenladen in Amsterdam besitzt, kam sie auf die Idee, in kundenfreien Zeiten alle möglichen Sounds ihrer auf Käufer wartenden Vinyls anzuzapfen, diese exzessiv durch den Sample-Fleischwolf zu drehen und über den Sounds dann bloß noch ein wenig zu singen. Fertig war ein spannendes Demo-Tape. Das steckte sie in ein Kuvert, schrieb als Adresse „Matador“ drauf, den Namen des amerikanischen Traumlabels aller Indie-Rock-Freunde. Prompt wurde Solex zur allerersten Künstlerin dieser Plattenfirma, die lediglich auf Grund eines Demos gesigned wurde. Fertig war der Mythos. Toll. Solex war jetzt ein kleiner Popstar.

Für ihre zweite Platte ließ sie sich dann etwas Neues einfallen. Da sie auch gerne auf Konzerte ging, schleppte sie dorthin immer auch gleich ein Aufnahmegerät mit. So sammelte sie auf diese Art wieder jede Menge Sound-Material und wiederholte das Spielchen mit dem Sample-Exzess und den darübergelegten Vocals. Daraus entstand eine noch sperrigere und doch noch immer Song-orientierte Trash-Dance-Pop-Platte.

Für wie interessant man nun diese Produktions-Bedingungs-Legenden hält, muss man selbst entscheiden. Um das Außergewöhnliche an der Musik von Solex zu verstehen, sind sie jedoch nicht unwichtig: In kaum vergleichbarer Weise wurde es hier immerhin geschafft, das Sample-Prinzip, das elektronische Musik und HipHop revolutionierte, auf Lo-Fi-Indie-Pop zu übertragen. Der Sampler ersetzt vollständig die Band, und Dance-Beats werden umfunktionalisiert. Sie dienen nicht mehr dazu, die Musik tanzbarer zu machen, sie sollen lediglich eine Art Halt in dem sonstigen musikalischen Sample-Wirrwarr aus Jazz-, Metal- und Popversatzstücken liefern.

Während Solex wahrscheinlich die eine-Frau-und-ihr-Sampler-Show abziehen wird, kommt mit Geschmeido aus Freiburg nochmals das klassische Popband-Modell zum Tragen. Vier nette Jungs aus Baden-Württemberg machen nette Musik. Ein schönes Kontrastprogramm zu den Schrägheiten von Solex.Andreas Hartmann

Heute, ab 22 Uhr, im Maria am Ostbahnhof, Straße der Pariser Kommune 8 – 11