: „Befördert die Tutsi in den Krater“
Kongos Rebellen verlieren die Kontrolle über ihr Territorium. Im Gebiet der von Ruanda gestützten RCD zirkulieren Aufrufe zum Töten der „Besatzer“ ■ Von Dominic Johnson
Berlin (taz) – „Schluss mit Angst, Einschüchterung und Terror“: Unter diesem Motto rief am 28. Januar eine Gruppierung „Nationalisten für den Widerstand“ in Bukavu im Osten der Demokratischen Republik Kongo zum Generalstreik gegen die Herrschaft der von Ruanda gestützten Rebellenbewegung RCD (Kongolesische Sammlung für Demokratie) auf. In der 500.000-Einwohner-Stadt sollten ab dem 31. Januar alle Geschäfte, Schulen und Behörden geschlossen bleiben, „bis die ruandischen, ugandischen und burundischen Aggressoren und alle ihre Verbündeten unser besetztes kongolesisches Territorium verlassen“.
Der Streikauftakt war einem Bericht zufolge begleitet vom öffentlichen Töten eines Hundes, als Symbol der zu tötenden Tutsi. Angeblich wird der Streik massiv befolgt, was angesichts der Warnungen des als Flugblatt zirkulierenden Streikaufrufs nicht verwundert: „Die Geheimdienste des Widerstandes“, heißt es da, „werden beginnen, all jene zu identifizieren, die den Aggressoren dienen, indem sie zur Arbeit gehen oder Steuern zahlen. Und das Volk wird bald richten.“
Ab Montag soll der Streik auf Goma ausgeweitet werden, wo die gegen das Regime von Laurent Kabila im Kongo kämpfende RCD ihren Sitz hat. In Kongos Hauptstadt Kinshasa hat die Kabila-treue Zeitung Le Palmarès den Ton angegeben: „Liebe Gomaner, die Stunde der Befreiung hat geschlagen, auf dass ihr eure nilotischen Besatzer in die rauchenden Krater des Nyarongongo und des Nyamungira befördert.“
Der Aufruf, die als „nilotische Besatzer“, also Eindringlinge aus der Nilregion, und zuweilen auch als „Hyänen“ titulierten Tutsi in den Vulkanen der Region zu verbrennen, erinnert an die Völkermordappelle in Ruanda 1994. Und er ist Teil einer Kampagne, hinter der offenbar die kongolesische Regierung von Präsident Kabila steckt. Die Streikaufrufe werden im Namen der Selbstverteidigungskräfte des Volkes (FAP) verbreitet – der Name, mit dem die Regierung Kabila offiziell die mit ihr verbündeten und von ihr logistisch unterstützten Milizen hinter den Frontlinien im Kongo auf Rebellengebiet bezeichnet.
Hinter der Bezeichnung FAP verbergen sich sowohl die als Mayi-Mayi bekannten Stammesmilizen, die seit jeher im Osten des Kongo gegen jede Art von Zentralregierung kämpfen, wie auch straff organisierte ruandische Hutu-Kampfeinheiten, die nach dem Völkermord 1994 aus Ruanda geflohen waren. Ihre Angriffe auf die RCD-Rebellen und Ruandas Armee sind in den vergangenen Monaten immer heftiger geworden. Im Januar besetzten sie eine Zeitlang die Stadt Shabunda. Die andauernden Kämpfe dort haben nach UN-Angaben 195.000 Menschen in die Flucht getrieben. Weitere 50.000 Kriegsvertriebene werden aus der Grenzregion zu Burundi gemeldet. In Bukavu haben die RCD-Behörden die Zerstörung der Landebahn des Flughafens veranlasst, aus Furcht vor einer Kommandoaktion.
Auf die zunehmenden Probleme reagiert die in Bukavu extrem unbeliebte RCD mit Verhaftungen prominenter Oppositioneller. Aber die vor Ort lebenden kongolesischen Banyamulenge-Tutsi, die um ihr Leben fürchten, werfen der RCD und Ruanda vor, zu wenig zu ihrem Schutz zu tun. Und zugleich kommt die Rebellenbewegung auch an der offiziellen Kriegsfront gegen Kabila unter Druck. Kongolesische Regierungstruppen, unterstützt von Simbabwe, sollen sich von Westen her auf dem Vormarsch Richtung Kisangani befinden. Auch im Nordwesten des Kongo, wo die von Uganda unterstützte Rebellenbewegung MLC (Kongolesische Befreiungsbewegung) gegen Kabila kämpft, sind heftige Kämpfe im Gange (siehe Interview).
Der Krieg im Kongo hat mit all dem eine neue Qualität gewonnen. Neben dem klassischen Stellungskrieg wird jetzt zumindest von Kabilas Seite aus versucht, den Gegner von innen heraus zu schwächen. Kabila sieht den Sieg in greifbarer Nähe, nachdem er eine Reihe diplomatischer Erfolge erzielen konnte: Auf der einwöchigen Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats zum Kongo vom 24. bis 29. Januar durfte er offiziell reden, die Rebellenführer aber nicht. Dann reiste Kabila nach Frankreich, was in Kinshasa als sehr bedeutsam gewertet wurde.
Die UNO will derweil immer noch mit Militärbeobachtern den längst nicht mehr existierenden Waffenstillstand überwachen, der im Juli 1999 zwischen Kongos Kriegsparteien geschlossen worden war. Die USA haben diese Woche einen entsprechenden Resolutionsentwurf in den Sicherheitsrat eingebracht. Demnach sollen 500 Beobachter, geschützt von 5.000 Blauhelmsoldaten, in eine Reihe von Städten in der Nähe der Kriegsfront im Kongo entsandt werden. Eine Abstimmung darüber ist vor Ende Februar nicht zu erwarten. Inzwischen ist dieses Friedenskonzept dabei, obsolet zu werden.
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