: Im Zweifelsfalle gibt’s die Pressefreiheit gratis
Umsonst-Zeitungen sind doch erlaubt. Und Springer sieht seine „Bild“ gefährdet
Berlin (taz) – Der Kölner Zeitungs-„Krieg“ geht am kommenden Montag weiter. Das Berliner Kammergericht hob am Freitag das vom Axel-Springer-Verlag erstrittene Erscheinungsverbot der Gratiszeitung 20 Minuten Köln auf. Das Gericht sah es als nicht erwiesen an, dass die Gratisverteilung von 20 Minuten Köln vom norwegischen Schipsted-Verlag eine ernste Gefahr für den Wettbewerb der kostenpflichtigen Tagespresse darstellt. „Im Zweifelsfall ist für die Pressefreiheit zu entscheiden“, so das Gericht in der mündlichen Begründung: „Es kommt nicht darauf an, ob das ein oder andere Blatt an Auflage verliert, sondern ob der Wettbewerb insgesamt bedroht ist.“
20 Minuten Köln-Chefredakteur Klaus Kelle kündigte noch im Gericht an, sein Blatt werde ab Montag wieder erscheinen. Auch Springer und der Kölner Verlag DuMont-Schauberg wollen ihre „Abwehrblätter“ sofort wieder auf den Kölner Markt werfen. Damit warten in der nächsten Woche täglich über 400.000 Gratiszeitungen auf die rund 960.000 Kölner. Für den unterlegenen Springer-Verlag ist das Urteil ein „Dammbruch“, der sogar die Zukunft der Bild-Zeitung in Frage stellt. Die Springer-Manager befürchten „einen irreversiblen Strukturwandel“ der Presselandschaft, da die Kaufzeitungen Auflage an die Gratisblätter abgeben werden. Nach Springer-Angaben haben die Bild und das DuMont-Blatt Express an den bisherigen Erscheinungstagen von 20 Minuten Köln jeweils rund 30 Prozent weniger Exemplare in der Kölner Innenstadt verkauft.
Nachdem die Großverlage fürs Erste gescheitert sind, Gratiszeitungen per se gerichtlich verbieten zu lassen, wird jetzt – wie in den 80er-Jahren bei den kostenlosen Anzeigenblättern – eine Taktik der „liebevollen Umarmung“ angewandt: Die Verleger werden versuchen, den Gratismarkt durch eigene Blätter zu besetzen.
Gruner + Jahr produziert derzeit bereits erste Nullnummern des Berlin Ticker, der mit einer Auflage von bis zu 500.000 Berlin und Potsdam beglücken soll. stg
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