Was soll man bloß von Gwyneth Paltrow halten? Pro & Contra

Pro: Sie ist 27 Jahre jung und verkörpert den Typus, der (zumindest beim weiblichen Publikum) eher Neid als Bewunderung hervorruft: die junge Lady. Als Shakespeares Muse wurde sie zum Oscar-gekrönten Star. Ihre erste bedeutende Rolle hatte sie in der Verfilmung von Jane Austens Roman „Emma“, wo sie den programmatischen Satz aussprach: „Ich mag mein Herz verloren haben – aber nicht meine Selbstbeherrschung.“

Hochgewachsen, schlank, blaue Augen, blond. Sie sieht immer gut aus, und kann – wie bei ihrem Auftritt zur Oscar-Verleihung - eine blendend glamouröse Erscheinung sein. Ihre Schönheit ist eine der klaren Konturen. Nichts an ihr ist verschwommen, banal oder vulgär. Sie hat nichts sexuell Herausforderndes, sucht keine Wirkung. Sie führt Gesten mit ironischer Distanz vor. Brecht hätte seine Freude an solch einer Darstellerin gehabt, die niemals dazu auffordert, sich identifikatorisch bei ihr einzukuscheln.

Das Auffälligste an ihrer Karriere ist, dass sie nie Girlie-Rollen gespielt hat. Von Anfang an ist sie eine Dame, eine Prinzessin. Kein Aschenputtel, sondern eine Prinzessin auf der Erbse. Ja, sie ist herrlich hochnäsig: ein Snob ohne Gewissensbisse. Auch als Marge in „Der talentierte Mr. Ripley“. Genau diesen unangestrengten Snobismus hasst Tom Ripley an ihr. Ripley ist der neiderfüllte Niemand, der über Leichen geht, um am Leben der Reichen und Schönen teilzuhaben. Marge ist die Einzige, die ihn durchschaut.

Rainer Gansera

Contra: Sie ist der Typus höhere Tochter, zu der man früher nur deshalb auf den Kindergeburtstag ging, um darüber zu lästern. Damals war sie sich mit ihren Lackschühchen zu fein zum Fangenspielen, heute ist sie sich zu fein für den eigenen Ruhm. Starsein ist für Gwyneth Paltrow zu plebejisch, deshalb hat sie sich neulich bitterlich darüber beklagt. Diese leicht zickige Unzufriedenheit mit allem, was sie umgibt, strahlte sie sogar bei der Oscar-Verleihung aus, wo der einstudierte Weinkrampf eine Spur zu perfekt rüberkam. Denkt man an ihre Rollen zurück, hat man Schwierigkeiten, sich an etwas Spezifisches zu erinnern, außer natürlich an die spitze Nase. In „Shakespeare in Love“ wirkte sie in Männerkleidern genauso unsinnlich wie im Rauscherock, da half auch der hochgeschnürte Busen nichts. In „Der talentierte Mr. Ripley“ ist sie gar nicht vorhanden – vor allem nicht, sobald mit Kate Blanchett eine echte Schauspielerin auftaucht. Man glaubt Paltrow im Film noch nicht mal, dass sie lesen kann, wenn sie ihre Nase in ein Buch steckt. Später verlässt sie sich auf ihr Rezept der fortgesetzten Heulkrämpfe, was bald auf die Nerven geht, zumal ihre Stimme im oberen Dezibelbereich keine große Modulationsbreite hat. Wirklich geeignet wäre sie für die Rolle der Intrigantin in einer Vorabendserie. Dann müsste sie nicht so sehr unter ihrem Ruhm leiden und würde auch nicht mehr Gefahr laufen, für eine Schauspielerin gehalten zu werden.

K. Nicodemus