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Pinochets Gesundheit nicht geheim

■ Das Gutachten über Chiles Exdiktator muss den Staaten zugänglich gemacht werden,die seine Auslieferung verlangen. Sie haben eine Woche Zeit, um dazu Stellung zu nehmen

London (AP/taz) – Der britische Innenminister Jack Straw darf das Gutachten über den Gesundheitszustand des chilenischen Exdiktators Augusto Pinochet nicht länger unter Verschluss halten. Das hat gestern das Hohe Gericht in London entschieden. Nach dem Urteil des dreiköpfigen Gremiums muss der Bericht unter dem Siegel der strengen Vertraulichkeit Spanien, Belgien, Frankreich und der Schweiz zugänglich gemacht werden – den Staaten, die sich um die Auslieferung des 84-Jährigen bemühen. Auf Einsicht in das Gutachten, das Pinochet für verhandlungsunfähig erklärte, hatten Belgien und sechs Menschenrechtsorganisationen geklagt.

Den vier Ländern solle die Expertise umgehend zugeleitet werden, erklärte der Anwalt Straws, Jonathan Sumption. Sie hätten bis zum 22. Februar Gelegenheit, eine Stellungnahme zu dem Gutachten abzugeben. Die Argumentation Straws, die Einsicht in das Gutachten verletze die Persönlichkeitsrechte Pinochets, sei nicht haltbar gewesen, sagte er. Das öffentliche Interesse sei in diesem Fall größer als das private Interesse Pinochets, sagte Richter Brown. Belgien könne Einblick in das Gutachten nehmen, weil das Land geltend gemacht habe, dass dies im Interesse von Bürgern geschehen sollte, deren Angehörige während der Pinochet-Diktatur in Chile verhaftet oder getötet wurden. Straw, der über die Auslieferung des chilenischen Generals entscheidet, hatte Anfang Januar angedeutet, dass er Pinochet wegen dessen schlechter gesundheitlicher Verfassung nach Chile ausreisen lassen werde. Straw erklärte allerdings auch, solange es juristische Auseinandersetzungen gebe, werde er keine Entscheidung treffen. Auf einem Londoner Flughafen wartet ein chilenisches Flugzeug, um Pinochet im Falle einer für ihn positiven Entscheidung Straws nach Chile zu fliegen.

In den letzten Wochen waren mehrmals Gerüchte laut geworden, der Gesundheitszustand Pinochets habe sich verschlechtert. Pinochet sei „sehr depressiv“ und seine Diabetes-Erkrankung habe sich verschlechtert, sagte der Leiter der Pinochet-Stiftung in Chile vergangene Woche. Menschenrechtsgruppen meldeten Zweifel an: „Wann immer eine wichtige Entscheidung im Fall Pinochet bevorsteht, gibt es wieder neue Befürchtungen um seine Gesundheit“, sagte ein Sprecher der Medizinischen Stiftung für die Betreuung von Folteropfern.

Pinochet befindet sich seit Oktober 1998 in britischer Haft, weil Spanien wegen Menschenrechtsverletzungen in Pinochets Amtszeit einen Haftbefehl ausgestellt und die Auslieferung beantragt hat.

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