Kongo-Brazzaville: ein Land am Tropf des Konzerns

In dem zentralafrikanischen Ölförderland ist Elf eine unangefochtene Großmacht.Ob Waffen für Putschisten oder Gelder für Schulen in Brazzaville – „alles kommt von Elf“

Auf den ersten Blick waren die politischen Ereignisse der letzten Jahre in Kongo-Brazzaville ganz einfach. Der marxistische Militärdiktator Denis Sassou-Nguesso verlor 1992 die ersten freien Wahlen des Landes an den Oppositionellen Pascal Lissouba. 1997, kurz vor dem nächsten Wahltermin, griff Sassou-Nguesso zu den Waffen und stürzte Lissouba in einem viermonatigen blutigen Bürgerkrieg. Seither verteidigt er seine Macht mit noch mehr Blutvergießen. Eine ganz normale afrikanische Tragödie.

Hinter den Kulissen sind die Ereignisse komplizierter. Kongo-Brazzaville ist Ölförderland. 60 Prozent der Staatseinnahmen kommen aus dem Ölexport. Elf fördert 80 Prozent des kongolesischen Öls. Damit hängt das Land am Tropf des Konzerns. „Elf“, sagt Pascal Lissouba, „ist eine Großmacht. Von ihr kommt alles.“

In den Achtzigerjahren verpfändete Sassou-Nguesso die Öleinnahmen Kongos an Elf, um den Staatsbankrott abzuwenden. Lissouba war dementsprechend geneigt, Kongo-Brazzaville aus dem Schatten von Elf heraustreten zu lassen. Er versuchte, fremde Ölkonzerne ins Land zu lassen, zum Beispiel den US-Ölkonzern Occidental Petroleum (Oxy). Dann handelte er mit Elf eine Lockerung der bestehenden Knebelverträge aus. Plötzlich war Elf nicht mehr der unangefochtene Hai im Teich.

Als 1997 auch noch im benachbarten Zaire der von den USA gestützte Laurent-Désiré Kabila den frankophilen Diktator Mobutu stürzte und eine Destabilisierung der gesamten Region drohte, war für gewisse Kreise die Sache klar: Auf dem „französischen“ Ufer des Kongoflusses, in Brazzaville, musste wieder Ordnung her. Sassou-Nguesso begann seine Revolte gegen Lissouba direkt nach Kabilas Sieg in Kinshasa.

Elf ergriff nun nicht einfach Partei für Sassou-Nguesso. Schließlich war Lissouba der legitime Präsident. Völlig legal entnahm er Geld aus der von Elf kontrollierten Bank Fiba, um Waffen zu kaufen. Aber zugleich, so behaupten französische Kritiker Elfs, transportierte Elf in seinen Fährbooten die angolanischen Regierungssoldaten und Sassou-Milizen, die im Oktober 1997 den Ölhafen Pointe-Noire eroberten und damit Lissoubas Sturz besiegelten.

Einen Tag nach seinem Sieg in Brazzaville traf Sassou-Nguesso den örtlichen Elf-Vertreter und besorgte sich die dem kongolesischen Staat zustehenden Vollmachten bei der Fiba. Zugleich wurde das Fiba-Konto der Lissouba-treuen größten Versicherung des Landes gesperrt. Damit hatte Sassou-Nguesso das nötige Geld, um zu regieren.

Ende 1998 griffen die Anhänger des gestürzten Lissouba-Regimes zu den Waffen. Sie eroberten große Teile des Landes zwischen Pointe-Noire und der 400 Kilometer landeinwärts liegenden Hauptstadt. Sassou-treue Kämpfer, unterstützt von französischen Beratern, schlugen sie in den folgenden zwölf Monaten zurück.

Der Feldzug war grausam. Die Bewohner eines jeden Dorfes, das die Sassou-treuen Truppen erreichten, flohen in den Wald oder wurden getötet. Insgesamt waren zeitweise 800.000 Menschen auf der Flucht – ein Drittel der Landesbevölkerung. Flüchtlinge berichteten, sie würden im Regenwald im Tiefflug beschossen – aus Hubschraubern „in den Farben von Elf“, wie es in einem Bericht heißt, „gesteuert von Weißen“.

Der Flüchtlingsstrom drohte sogar das benachbarte Gabun zu destabilisieren. Aus Sorge darum drängte Frankreich Sassou-Nguesso zu Friedensverhandlungen. Seit drei Monaten gibt es daher regelmäßige Friedenszeremonien in Brazzaville. Und in Regierungskreisen wird befürchtet, Elf unterstütze heimlich wieder die Opposition, um bei Verhandlungen über neue Ölförderbedingungen Druck auszuüben.

Doch im Prinzip laufen die Beziehungen bestens. Französische Konzerne stehen Schlange nach Aufträgen zum Wiederaufbau. Die ersten neuen Schulen im kaputten Brazzaville wurden Ende Januar feierlich dem Staat übergeben – von Elf. Dominic Johnson