: Nördliche Schildkröte
■ Gestaltungsspielraum: Feng Shui bringt Harmonie in die eigenen vier Wände
Im Zuge west-östlichen Kulturaustausches kam, nach Yoga und Sushi, vor einigen Jahren noch eine andere Kunst zu uns, Feng Shui genannt. Sie verspricht, von besserer Gesundheit bis zur „Lokalisierung unglückbringender Bereiche innerhalb des Gebäudes“, einiges – durch Wohnraumgestaltung.
Ursprünglich vor etwa 6000 Jahren in China entstanden, um einen passenden Begräbnisort zu finden, entwickelte sich Feng Shui zu einer Art Wissenschaft zum Aufspüren des richtigen Ortes für die Behausung zu Lebzeiten. Heute dient sie meist dazu, den Wohnraum positiv(er) zu gestalten. Um die eigenen vier Wände zu verbessern ist ein Fachmann unbedingt von Nöten – der gar nicht so schwierig zu finden ist: Die Hamburger Gelben Seiten enthalten eine eigene Rubrik mit einer ganzen Reihe von Spezialisten der fernöstlichen Harmonielehre. „Bis zu einem gewisssen Grad kann man natürlich auch selber einiges machen“, sagt Brigitte Borth, Mitgeschäftsführerin des Feng-Shui-Fachgeschäfts Zum Goldenen Fisch. „Den Schreibtisch nicht direkt vors Fenster stellen, so dass man den Raum im Rücken hat“, zum Beispiel, oder angenehme Wandfarben.
Um aber mehr als das zu erreichen, muss die Expertin her. Sie bestimmt den Verlauf der Energien, Chi, der guten, und Sha, der schlechten, nimmt „Schlafplatzuntersuchungen“ vor oder rät dazu, Spiegel aufzustellen, die den Energiefluss gesundheitsfördernd durch die Wohnung lenken sollen. Schon kleine Handgriffe, ein umgestellter Tisch, eine andere Vorhangfarbe, können einiges verbessern. Hat man sich so weit darauf eingelassen, ist es unumgänglich, sich auch mit dem Vokabular der Lehre auseinanderzusetzen. Der Norden beispielsweise wird, wenn es sich um Hauswände handelt, zur Schildkrötenseite des Hauses, und die fünf Elemente, Holz, Feuer, Erde, Metall und Wasser, die sich in „generativer Anordnung“ kreislaufartig selbst hervorbringen, bestimmen die Wohnqualität.
Einen Kurs in altchinesischer Philosophie muss man dennoch nicht belegen. „Auch in unserem Kulturkreis“, sagt Eva Priegnitz, Feng-Shui-Beraterin in Hamburg, „sind solche Ideen nicht unbekannt. Bauern haben sich früher beispielsweise oft auf Rutengänger verlassen, die eine Wasserader finden sollten.“ Es gehe „einfach um das Gefühl an einem bestimmten Ort“. So populär wie in China ist das Verfahren hierzulande dennoch nicht. Recht ungewöhnlich ist das Vokabular für das westliche Denken und zu unglaubwürdig manche Verheißung: „Wenn Wasser auf ein Haus zufließt ... ist dies ein Zeichen ... großen Reichtums“, heißt es in einem Buch des Feng-Shui-Experten Derek Walters.
So einfach lässt sich das Glück wahrscheinlich doch nicht fangen, doch ist es immer schön, einen Teich vorm Haus zu haben. Der trägt, allein durch seinen wohltuenden Anblick, schon zur Gesundheit bei. Und so verstanden besitzt die Feng-Shui-Lehre im Kern durchaus mehr als nur einen Funken Wahrheit. Markus Huneke
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