„Film“ kommt von „Fälschung“

■ Ein Seh-Fahrerleben: Gordian Mauggs „Hans Warns – Mein 20. Jahrhundert“ beendet das Forum-Programm der Berlinale

Es geschieht nicht eben häufig, dass ein „Hamburg-Film“ so große Lobeshymnen aus so berufenem Munde kassiert, aber das amerikanische Filmblatt Variety musste schon zu Vergleichen mit Woody Allens gefaketem Bio-Pic Zelig und dem Blair Witch Project greifen, um die Qualitäten des Films von Gordian Maugg gebührend heraus zu stellen. Hans Warns – Mein 20. Jahrhundert erzählt von einem Seefahrerleben und zugleich eine Entwick-lungsgeschichte der visuellen Medien. Einen Teil des dazu notwendigen Materials lieferte der Titelheld selbst. Denn Hans Warns hat, was er auf seinen Reisen sah, fotografiert und manches auch auf Schmalfilm festgehalten. Vorgefundene Aufnahmen und Nachinszeniertes greifen dabei so frappierend ineinander , dass der Unterschied zwischen beidem manchmal gar nicht auszumachen ist. Die taz hamburg sprach in Berlin mit Gordian Maugg über dessen Film- und Fälscherhandwerk.

taz Hamburg: Warum Hans Warns? Wie fanden Sie zu Ihrem Protagonisten?

Gordian Maugg: An Hans Warns geriet ich zufällig. 1994 reis-te ich zum „Vortanzen“ zur Hamburger Filmförderung, um die Finanzierung für meinen Spielfilm Die kaukasische Nacht zusammenzubekommen. Ich erschien zwei Stunden zu früh und wurde vom Gremiumsbetreuer so lange ins Altonaer Museum geschickt. Dort stieß ich auf die Warns-Ausstellung, die mich augenblicklich faszinierte. Ein Amateurblick auf die Ära der Segelschiffe, fremde Häfen, fernes Chile, ein Herausfallen aus der großen großen deutschen Geschichte. Feriendasein deutscher Matrosen, sieben lange Jahre lang, Inkagräber ausrauben und Robben jagen, während in Europa die Generation Gleichaltriger in der Blutmühle des Krieges zerstampft wird; das alles aufgenommen von einem erst 14jährigen. Wackelige, unscharfe Bilder, circa 300, gut die Hälfte steckt im Film drin.

Sie verwenden Filmmaterial aus verschiedensten Archiven. Wie gestaltete sich diese Arbeit?

Interviews mit Verwandten, Freunden und Kollegen von Hans Warns führten neben persönlichen Dokumenten, seinen Fotografien usw. zu einem Zeitabfolge-Gerüst, zu thematischen, persönlichen und damit emotionalen Schwerpunkten: Aus dem Mann wurde für mich ein Charakter, seine Reisen zu einer Abfolge und Vernetzung von Weltgeschehen. Die Lücken, die sich nach Erstellen dieses Gerüstes ergaben, mussten gefüllt werden. Eine gezielte Suche ist dabei das Eine, das zufällige Finden – und was für ein beglückender Augenblick kann das sein! – ist das Andere.

Was haben Sie unternommen, um den nachinszenierten Teilen den Anschein des Alten zu verleihen?

Inszeniertes Material wurde im Negativ in schöner Handarbeit verschrammt. Die Augen der Kopierwerksmenschen hätten Sie sehen sollen, als mein Kameramann Hans Moser und ich mit der groben Drahtbürste anrückten, um das Material daran durchzuziehen! Mehrfache Umkopierungen nahmen Schärfe und Brillanz, einige Szenen wurden auch gleich auf 16mm gedreht und optisch auf 35mm gebracht. Die Denkart war immer: Hier und da umschließt Archivmaterial dieser und jener Textur das zu inszenierende Material; wie ist dieses inszenierte Material „vorn“ und „hinten“ sinnfällig anzugleichen, damit ein homogener Eindruck entsteht?

Interview: Jörg Schöning

Hans Warns – Mein 20. Jahrhundert: Berlin, Sa, 19.2., 12.45 Uhr, Cinemaxx3 + 19 Uhr, Delphi; So, 20.2., 12 Uhr, Cinestar8;

Hamburg (Preview mit Gast), Sa, 26.2., 21.15 Uhr, Metropolis