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Steine gegen Soldaten der KFOR

In Mitrovica ist eine groß angelegte KFOR-Aktion angelaufen. Serbische Paramilitärs sollen entwaffnet werden. Friedenstruppe vor einer Zerreißprobe ■ Aus Mitrovica Erich Rathfelder

Steine flogen auf amerikaniche und deutsche KFOR-Soldaten, als diese gestern begannen, in die serbisch kontrollierte Nordseite der zwischen Albanern und Serben geteilten Stadt Kosovska-Mitrovica vorzudringen. Ziel der mehrtägigen Operation ist es, die paramilitärischen Kräfte der Serben zu entwaffnen und die volle Kontrolle über diesen Teil der Stadt zu übernehmen.

Trotz des bisher unblutigen Verlaufs der Aktion kritisierten amerikanische und deutsche Militärs das Verhalten der französischen Truppen, die Angriffe von Serben gegen amerikanische und deutsche Soldaten sowie internationale Journalisten zugelasssen hatten. Ein Kameramann der BBC wurde geschlagen, die Kamera des ARD-Teams zerstört.

Als um 7 Uhr die Aktion der rund 2.300 Mann der KFOR-Truppen anlief, erfüllten sich die schlimmsten Befürchtungen der Militärs nicht. Noch am Vorabend hatten in Priština Gerüchte die Runde gemacht, wonach serbische Militärs schwere Waffen nach Mitrovica gebracht hätten. Im KFOR-Hauptquartier in Priština rechneten einige Offiziere mit bewaffnetem Widerstand.

Jetzt machen andere Umstände Sorgen. Denn die Angriffe waren allein gegen amerikanische und deutsche Truppen gerichtet. Die offensichtlich organisierten Steinewerfer wurden von französischen Soldaten nicht daran gehindert. Diese gingen gegen Journalisten mit dem Argument vor, die Filmaufnahmen von den Aktionen provozierten nur die Serben. Amerikanische und deutsche Offiziere sprachen von einem Skandal. Die US-Soldaten zogen sich, „um Blutvergießen zu verhindern“, wie es ein amerikanischer Verbindungsoffizier ausdrückte, zurück.

Französische Soldaten und italienische Carabinieri dagegen wurden von den serbischen Demonstranten beklatscht. Sprechchöre forderten, dass lediglich französische, italienische und griechische Truppen im serbisch kontrollierten Teil der Stadt operieren sollten, da die Serben diese auf ihrer Seite wähnen. Die KFOR-Sprecher begegneten dieser Zuordnung bisher mit dem Argument, alle KFOR-Truppen seien unter einheitlichem Befehl. Diese Selbstdarstellung ist nun in den Augen vieler KFOR-Soldaten selbst brüchig geworden.

Hintergrund für die Konflikte bildet die unterschiedliche politische Position über die Zukunft des Kosovo. So erklärte der deutsche „Innenminister“ der UN-Verwaltung, Tom Koenigs, es sei ein Fehler der französischen Truppen gewesen, nach dem Einmarsch im Juni 1999 in den ihnen zugeteilten Militärsektor an den Brücken des Ibar, der Mitrovica in zwei Teile schneidet, stehen zu bleiben. Viele Diplomaten und Offiziere in Priština kritisieren, damit habe die französische Seite die Teilung der Stadt und des Kosovo ermöglicht.

In den französischen Sektor dagegen hat man Verständnis für den Wunsch der Serben, einen Teil des Kosovo zu kontrollieren. Jetzt werden die französischen Truppen unter der Hand sogar beschuldigt, logistische Hilfen für die serbischen Truppen in der Stadt gegeben zu haben. Wegen der zu großen Nähe der Franzosen zu den Serben hatte das Oberkammando unter dem deutschen General Klaus Reinhard beschlossen, Truppen aus anderen Besatzungszonen Kosovos in den französichen Sektor zu bringen.

Die KFOR steht vor einer Zerreißprobe. Nur ein geschlossenes Auftreten kann in Mitrovica zum Erfolg führen und die Albaner beruhigen. Bei einem Misserfolg wollen sie 100.000 Personen, darunter bewaffnete ehemalige UÇK-Kämpfer, in der Stadt demonstrieren lassen. Die für heute angesetzte Demonstration wurde aber auf Druck der KFOR abgesagt.

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