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Keine Katastrophe - aber Ziele nicht erreicht!

■ Debatte: Helmut Zachau, haushaltspolitischer Sprecher der Grünen, antwortet dem Bremer Ökonomen Rudolf Hickel, der die Sanierung Bremens lobte

Der Professor hält die bündnisgrüne Kritik an dem fehlenden Wachstum für „ökonomisch gefährlich naiv und ökologisch unverständlich“. Die Wirtschafts- und Finanzpolitik der sehr großen Koalition unterstützt er prinzipiell, auch wenn er zur Korrektur einige Milliönchen für Bildung und Kultur lockermachen will. Widerspruch, Herr Professor.

Die Koalition selbst gibt als Zielvorgabe die Sanierung des bremischen Haushaltes vor, die sie dadurch erreichen will, dass durch staatliche Wirtschaftspolitik Wachstum, mehr Einwohner und mehr Arbeitsplätze erreicht werden sollen. Wegen dieser Zielvorgaben werden die Leistungen des Staates in seinen zentralen Aufgabenbereich heruntergefahren. Für diese Hoffnung wird (bisher weitgehend erfolgreich) an die Leidensfähigkeit bremischer BürgerInnen appelliert, dafür wurden Wohnungsbaugesellschaften verkauft, Schulen wurden nicht ausreichend saniert, der Kulturhaushalt an die Wand gefahren und alle Grünflächen Bremens zum Zwecke des Verbrauchs in's Visier genommen. Wer vor dem Hintergrund relativ hoher Steuern einen solchen massiven Leistungsabbau wie die derzeitige Koalition betreibt, der muss sich schon fragen lassen, ob die selbst formulierten Zielsetzungen zumindest in der Tendenz erreicht werden.

Nicht der Jubel von Perschau in der Vergangenheit ist der Kern der Kritik - der jubelt sowieso zu viel an den falschen Stellen - sondern das wahrscheinliche Ergebnis der Politik der großen Koalition. Dies ist an folgenden Punkten absehbar.

1. Die Verschuldung Bremens wird trotz der Bundesergänzungszuweisungen (in Höhe von nahezu 17 Milliarden Mark) am Ende des Sanierungszeitraumes von offiziell knapp 17 Milliarden Mark zu Beginn der Sanierung auf knapp 20 Milliarden Mark angestiegen sein. Kein Mensch in Bremen kann präzise beziffern, wie hoch die Gesamtschulden unseres Gemeinwesens heute sind, denn es gibt keinerlei Überblick über die Schulden der diversen Fonds und städtischen Gesellschaften sowie die Finanzierung von versteckten Zahlungsverpflichtungen. So liegt die reale Schuldenlast bereits heute wahrscheinlich näher an 25 Milliarden als an 17 Milliarden Mark.

2. Damit werden wesentliche zukünftige Gestaltungsspielräume der Politik für die BürgerInnen genommen, denn die Zinsbelastung steigt allein mit der offiziellen Schuldenzunahme um ca. 180 Mio DM - Jahr für Jahr.

3. Es ist noch nicht ein Trend in Hinblick auf die eigengenannten Zielsetzungen der Koalition erreicht. Die Einwohnerzahl sinkt nach wie vor, Bremen ist seit 1998 wieder vom Bundestrend in der Arbeitsmarktentwicklung abgekoppelt und die Schulden steigen weiter.

Kennzeichnenderweise spielen diese Daten in der Argumentation von R. Hickel keine Rolle. Das verwundert nicht, weil er zu denjenigen gehört, die meinen, Wirtschaft wesentlich über staatliche Ausgabenpolitik lenken zu können. Das erklärt auch seine Übereinstimmung mit der Politik der großen Koalition. Statt zu hinterfragen, ob es denn vor dem Hintergrund der offensichtlichen Erfolglosigkeit der bremischen Politik überhaupt richtig ist, eine staatsinterventionistische Wirtschaftspolitik in dieser Dimension zu betreiben, stellt Hickel beliebig Daten zusammen, die eine gewisse Verzögerung des Erfolges legitimieren sollen.

Unsere Kritik geht wesentlich tiefer. Die große Koalition rechtfertigt die Schuldenzunahme damit, dass sie von Rückflüssen aufgrund steigenden Wirtschaftswachstums ausgeht. Zu diesem Zweck hat sie ihr narrhallersches Investitionsprogramm aufgestellt, mit dem in erster Linie Großprojekte, Gewerbeflächen und Verkehrsprojekte massiv subventioniert werden. Entgegen ihren öffentlichen Behauptungen wird die Wirtschaftstätigkeit in weiten Bereichen staatlich betrieben bzw. massiv staatlich gestützt. Diese Strategie negiert, dass bis heute niemand sagen kann, auf welchem Weg systematisch die Geldrückflüsse für den Schuldenabbau fließen sollen. Es gibt kaum originäre Steuereinnahmen Bremens, der Einzelhandel wird trotz aller Subventionen nicht die tragende Säule künftiger Wirtschaftstätigkeit in Bremen sein. Die Refinanzierung der Schulden bindet die staatlichen Ausgaben weit über die Zinsbelastungen hinaus. Mit dem Kapitalfondsgesetz hat sich die Koalition ein Instrument der Geldbeschaffung zu Lasten der nachfolgenden Generationen geschaffen, mit dem Haushaltssanierungsgesetz hat sie sowohl die Quote für die Wirtschaftssubventionen als auch die Kürzungen in den so genannten konsumptiven Bereichen gesetzlich festgeschrieben, damit ist jeder Verteilungsauseinandersetzung bzw. jedem Interessenausgleich von vornherein eine hohe Hürde vorgeschoben. Es wird heute kreditfinanziertes staatliches Vermögen an die neugegründeten Gesellschaften überschrieben, damit diese Vermögensmasse zur Kreditaufnahme vorweisen können. Das ist eine richtige Doppelverschuldungsstrategie.

Bremische Wirtschaftspolitik sollte an den Stärken unserer Region ansetzen und Umsteuerungsprozesse organisch wachsen lassen, statt mit subventionierten Kapitalanlagen gewaltsame Umbrüche zu organisieren. Das funktioniert höchst selten, weil die Bezüge zur Region nicht gegeben sind. Deswegen haben die Wirtschaftsplaner auch so viele Schwierigkeiten mit ihren Großprojekten - wie zum Beispiel mit dem Ocean-Park. Und zum Einstieg in den Schuldenabbau gibt es keine Alternative, wenn denn die Selbständigkeit Bremens ernsthaft erreicht werden soll. Die Politik der großen Koalition scheint dieses Ziel nicht mehr zu verfolgen – anders macht ihre Überschuldungspolitik nach meiner Einschätzung keinen Sinn.

Es funktioniert heute schon auf nationalstaatlicher Ebene kaum, Wirtschaft durch Staatsinterventionismus lenken zu wollen - regionalwirtschaftlich ist eine solche Politik illusionär. Sie bedient Klientelinteressen, wird aber kaum Wachstumserwartungen erfüllen können. Beide großen (in dieser Hinsicht konservativen) Parteien hängen dieser Illusion nach. Auch in der Bevölkerung werden Erwartungen geweckt, die sich mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht erfüllen werden. Das ist die politische Gefahr, die für Bremen angelegt ist. Der Boden für politische Rattenfänger ist damit gut bereitet.

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