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Auf dem Stamm zum Stamm

Treiben für die Yanomami: Atlantik-Überquerer Nehberg ist fast am Ziel  ■ Von Gernot Knödler

Rüdiger Nehberg hat nicht Schiffbruch erlitten. Der ehemalige Wandsbeker Konditormeister steht kurz vor dem Ende seines dritten Extrem-Törns über den Atlantik. Statt auf einem Tretboot oder Bambusfloß ist er diesmal auf dem Stamm eines 350 Jahre alten schweizerischen Tannenbaums unterwegs (taz hamburg berichtete).

Noch ist an „The Tree“ alles dran. Sogar einen Sturm mit Windstärke zehn hat das Gefährt Marke Eigenbau überstanden, weil die Brecher durch die Netze zwischen den Auslegern stürzten. Besonders nachts habe er Angst gehabt, erzählt Nehberg, weil er nicht sehen konnte, woher die Wellen kamen. Das Boot lag sehr schräg im Wasser. "Wenn ich jetzt umschlage und unter die Netze gerate ...“, schoss es ihm durch den Kopf, und er schnallte sich Messer und Notboje um den Leib.

Seit einem Monat ist Nehberg allein auf hoher See. Die taz hamburg hat den Überlebenskünstler am Satelliten-Telefon gefragt, wie es ihm geht. „Saugut, weil ich so gut vorankomme“, antwortet er. „Heute war ein Tag mit spiegelglatter See, wo ichs zum ersten Mal wagen konnte, mich abzuleinen und unters Boot zu tauchen.“ Nehberg schwärmt von dem dichten Muschelbewuchs unter dem Stamm.

Im Wasser tummeln sich 1,50 Meter lange Goldmakrelen. Nachts fängt Nehberg sie mit der Harpune und verspeist sie mit Sauce Hollandaise aus der Tüte – eine Ergänzung zum Müsli und den Fertiggerichten, die er in Plastikfässern auf dem Baumstamm gebunkert hat. Obwohl er massenhaft Interviews an seinem Satelliten-Telefon gibt, ist dem Abenteurer langweilig. „Ich freu mich aufs Land“, sagt Nehberg.

Lars Spanger, der ursprünglich als zweiter Mann hatte mitfahren sollen, habe wegen „mehrerer Vertrauensbrüche“ zu Hause bleiben müssen. Ohnehin hatte sich Nehberg vorgenommen, Portugiesisch zu lernen. Außerdem nutzt der 64-Jährige die Zeit, um die 60 „verrücktesten Geschichten“ aus seinem Leben aufzuschreiben und sich auf sein nächstes Thema vorzubereiten: den Kampf gegen die Beschneidung von Frauen.

Die Yanomami-Indianer, für deren Rechte er 20 Jahre lang gekämpft hat, seien inzwischen sehr gut versorgt: „Stur und ausdauernd sein kann manchmal helfen“, sagt Nehberg zufrieden. Theodor Ratgeber von der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) bestätigt, dass sich der rechtliche Schutz der Yanomami verbessert habe, weil die brasilianische Regierung großen Wert darauf legen müsse, dass ihr Image im Ausland nicht beschädigt werde: „Es ist ein Verdienst Nehbergs, dass die sich einigermaßem unter Beobachtung fühlen“, sagt der Indianer-Experte.

Im Lebensalltag der 20.000 Yanomami gebe es jedoch noch viel zu verbessern. Ebenso bei den weniger prominenten der insgesamt 215 bekannten brasilianischen Indianervölker. Von 594 erfassten Territorien, die laut Verfassung den Indianern zugesprochen werden müssten, seien noch immer 315 dem Zugriff der Großgrundbesitzer ausgesetzt. Wenn alles gut geht, wird Nehberg Ende des Monats den Präsidenten Enrice Fernando Cardoso dezent darauf hinweisen.

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