Vehemente Kritik am Patentamt

Forschungs-, Gesundheits- und Justizministerinnen sind sich einig: Das Menschenpatent muss zurückgenommen werden. Entscheidung kann Jahre dauern ■ Von Wolfgang Löhr

Berlin (taz) – Heftiger hätten die Proteste gegen das Europäische Patentamt (EPA) in München kaum sein können. Ärzteorganisationen, Parteiensprecher jeglicher Couleur und alle involvierten Ministerien der Bundesregierung kritisierten einhellig, dass das EPA einen Patentantrag hat durchgehen lassen, der auch den genmanipulierten Menschen umfasst.

Sowohl das Forschungsministerium als auch das Gesundheits- und Justizministerium sind sich einig, dass sie einen förmlichen Einspruch gegen das umstrittene Patent erheben wollen. Die Bundesregierung werde ein Schreiben in Auftrag geben und dieses innerhalb der Neunmonatsfrist beim EPA einreichen, kündigte Justizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) gestern an. Zudem soll über die europäischen Kontakte erreicht werden, dass die Universität von Edinburgh, die das Patent eingereicht hatte, so lange keinen Gebrauch davon macht, bis über den Einspruch entschieden ist.

Und das kann Jahre dauern. Grundsätzlich kann jeder Bürger das am 8. Dezember 1998 erteilte Patent anfechten. Dazu müsse er seinen Einspruch beim EPA einreichen und eine Gebühr von 1.200 Mark bezahlen, sagte der Münchner Patentanwalt Rolf Wilhelms. Über eine Rücknahme des Patents urteilt eine eigene Abteilung des Patentamts. Das ist auch einer der Kritikpunkte von Greenpeace, durch deren Aktionen die Öffentlichkeit erst auf das Menschenpatent aufmerksam geworden ist. Die Entscheidungen des EPA, das auf der Grundlage eines über den EU-Vertrag hinaus gehenden internationalen Abkommens arbeitet, ist nämlich keiner gerichtlichen Kontrolle unterworfen. Nicht einmal der Europäische Gerichtshof habe Einfluss auf die „exterritoriale Behörde“, sagte Wilhelms.

Der besondere Status des EPA wurde auch deutlich, als am Dienstag rund 90 Greenpeace-Aktivisten die Zugänge des Patenamtes für Stunden blockierten. Die angerückten Polizisten durften nur zuschauen, das EPA-Gelände betreten durften sie nicht. Denn dort darf die Polizei nur auf ausdrücklichen Wunsch des EPA aktiv werden. Und der Wirbel, den die „irrtümliche“ Patenterteilung ausgelöst hat, war den Verantwortlichen beim EPA bereits groß genug.

Die Erteilung eines Patents bedeute nicht, dass verbotene Experimente durchgeführt werden dürfen, versuchte inzwischen ein Sprecher der Edinburgher Universität die Öffentlichkeit zu beruhigen. Ob die beiden Wissenschaftler, die als Erfinder auf der Patentschrift verzeichnet sind, oder die australische Firma Stem Cell Sciences, die die Exklusivrechte inne hat, freiwillig eine Änderung der Patentschrift veranlassen, ließ der Universitätssprecher offen. „Nach unserem besten Wissen wurde das Patent korrekt beantragt und erteilt. Falls es dazu irgendwelche Einwände gibt, dann müssen wir uns die Einzelheiten anschauen“, sagte der Sprecher. Er machte auch darauf aufmerksam, dass 1993, als der Patentantrag eingereicht wurde, weder die EU-Richtlinie über biotechnologische Erfindungen noch die Bioethikkonvention des Europarates existierte, die das Klonen von und Patente auf Menschen ausschließen.