: Småland-Faktor im Test
■ Am nächsten Donnerstag eröffnet IKEA sein neues Möbelhaus in Brinkum
IKEA ist wieder zu Hause angekommen. Jahrzehntelang genügte das pauschale Schweden-Image, um die billigen Möbel unter die Leute zu bringen. Schweden - da dachten in den Siebzigerjahren alle an endlose Sommernächte, sexuelle Freizügigkeit und den vorbildlichen Sozialstaat. Welcher junge Mensch hätte sich nicht gern im flachen Karton ein Stückchen von der schwedischen Sorglosigkeit in die Etagenwohnung geholt.
Inzwischen hat das Modell Schweden Risse bekommen: Die städtische Jugend versinkt im Drogensumpf, Neonazis schüchtern die Bürger ein, der Mord an Olof Palme ist immer noch nicht aufgeklärt. Gleichzeitig haben sich die Werte gewandelt: Die Menschen haben heutzutage Sehnsucht nach Ruhe, unverbrauchter Natur und überschaubaren Einheiten. Für den Angriff auf die globalisierten Märkte hat sich der Möbelkonzern daher auf seinen Ursprung zurückbesonnen: Die neue Werbe-Ikone ist die südschwedische Region Småland, in der die Firma gegründet wurde. Seine Heimatverbundenheit zeigt der Weltkonzern schon in seinem Namen, der für Firmengründer Ingvar Kamprad vom Hof Elmtaryd im småländischen Agynnaryd steht. Wass Småland für den Kunden bedeuten soll, fasst das Werk eines unbekannten Poeten zusammen, das im Restaurant des neuen Möbelhauses in Brinkum hängt:Ruhe.Wälder überall.Ein kleiner See zwischen Bäumen.Elche am Wasser.Preiselbeeren.Steinmauern. Eigensinn.Harte Arbeit für ein besseres Leben.Kleine Firmen und große Ideen.Småland.Die taz hat schon einmal vorgespäht, welche von diesen Versprechungen das neue IKEA bei den Bremern einlöst.
Ruhe herrscht eine Woche vor Eröffnung tatsächlich. ,99 Prozent“ sind schon fertig und die Mitarbeiter erwarten gelassen den Ansturm der Massen. Wenn die allerdings kommen, ist der Frieden vorbei. Im allgemeinen Gewühl wird sich wieder jener blinde Hass einstellen, vom dem man nicht weiß, ob er sich gegen IKEA, seine Kunden oder die ganze Menschheit richtet. Ruhe gibt es erst wieder, wenn das erstandene Sofa montiert ist und in die Horizontale einlädt. Wälder sind hier nur in verarbeiteter Form zu finden. Die berüchtigten Fichtenmöbel dominieren zwar nicht mehr wie vor 20 Jahren, aber wer`s immer noch mag, kann sich einen halben Regalwald in die Wohnung stellen.
Einen kleinen See gibt es nur für die kleinsten Kunden (bis zehn Jahre). Im ,Småland“ (deutsch: kleines Land) können ihre Eltern sie abgeben. Das könnte auch der Ruhe beim Möbelkauf dienen, würden nicht hauseigene Handys für Kontakt sorgen. Am See steht zwar kein Elch (der flog schon 1983 aus dem Werbekonzept), aber dafür ist er reichlich mit Preiselbeeren gefüllt - zumindest sollen die roten Spiel-Kugeln sie symbolisieren. Sogar Småländer Steinmauern gibt`s im Kinderreservat, allerdings aus Plastik.
Mit Eigensinn ist man bei IKEA dagegen an der falschen Adresse: Als einer von weltweit 200 Millionen Kunden kann man sich nicht gerade zu den Interieur-Avantgardisten zählen. Harte Arbeit wie in Småland findet dagegen Unterstützung: Viermal soviel Fläche wie vorher füllen Büromöbel im neuen Haus - besonders viele kleine Unternehmen werden sich bei dem großen Unternehmen eindecken.Wer selbst keine großen Ideen für ein besseres Leben hat, muss trotzdem nicht uneingerichtet bleiben: Für Fantasielose werden in Brinkum jetzt auch koplette Wohnungseinrichtungen zum Festpreis präsentiert.
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Schnäppchen gibt‘s im alten Haus in Stuhr bis zur Schließung morgen um 16 Uhr und im neuen Haus in Brinkum-Nord ab Donnerstag Morgen.
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