: Islam-Lehrpläne in der Schublade
Islamische Föderation will nach dem Sieg vor Gericht in Berlin schnell Religionsunterricht erteilen. Berlins Schulsenator Klaus Böger wird penibel prüfen ■ Von Julia Naumann
Berlin (taz) – Die Islamische Föderation möchte nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in Berlin so bald wie möglich bekennenden islamischen Religionsunterricht anbieten. „Wir werden uns ganz schnell mit der Berliner Schulverwaltung zusammensetzen und alle Modalitäten klären“, sagte der Verwaltungsratsvorsitzende der Islamischen Föderation, Burhan Kesici. Die Lehrpläne lägen bereits vor, müssen von der Schulverwaltung aber noch geprüft werden. Der Unterricht wird in deutscher Sprache abgehalten.
Das Gericht hatte am Mittwoch die Vereinigung nach jahrelangem Rechtstreit als Religionsgemeinschaft anerkannt. Die Freigabe für islamischen Religionsunterricht wurde von der Ausländerbeauftragten Berlins, den Parteien, aber auch von türkischen und arabischen Vereinen grundsätzlich begrüßt – im Prinzip. Der Träger aber geriet in die Kritik: Die Islamische Föderation ist so umstritten, weil sie personell und inhaltlich der islamistischen Auslandsorganisation Necmettin Erbakans, Milli Görus, und der türkischen Wohlfahrtspartei nahe steht. Ein Großteil der deutschtürkischen Bevölkerung fühlt sich deshalb nicht von ihr vertreten. Der Vorsitzende des Berliner Anatolischen-Aleviten-Kulturzentrum, Metin Kütük, bezeichnet Milli Görus als „demokratiefeindlich“: „Sie geben anderen Gläubigen keine Freiheit.“ Die Islamische Föderation wird vom Verfassungschutz beobachtet.
Kütük kündigte an, dass seine Organisation ebenfalls Religionsuntericht anbieten wolle. Dazu muss sie aber zuerst als Religionsgemeinschaft anerkannt werden. Dass jetzt jedoch massenhaft andere als christliche Gruppen das Recht auf Religionsuntericht einklagen, davon kann nicht ausgegangen werden. Das Urteil beziehe sich eindeutig nicht auf Bundesrecht, sagte eine Sprecherin der Schulverwaltung.
Das Urteil hat die Diskussion angeheizt, ob auch in Berlin Religion wieder als ordentliches Lehrfach mit Benotung unterrichtet werden soll. In Berlin und Bremen ist Religion, anders als im Rest der Republik, freiwillig. Die Auswahl der Lehrer obliegt nicht der Schulverwaltung.
Schulsenator Klaus Böger (SPD), der schon seit einiger Zeit wie die CDU mit einer Rechtsformänderung liebäugelt, forderte gestern ein Wahlpflichtfach: Die Schüler sollen sich entweder für „Ethik-Philosophie“ oder für evangelischen, katholischen oder islamischen Religionsunterricht entscheiden. Der Islam-Unterricht dürfe jedoch nicht zu einseitig geraten: „Es wäre nicht gut, wenn die Islamische Föderation Unterricht in eigener Sache anbieten könnte.“
Auch die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Marieluise Beck, hat sich für einen Islam-Unterricht unter Aufsicht des Staates ausgesprochen. „Ziel muss es sein, dass sich die Gesellschaft möglichst vielfältig auch in den Schulen abbildet“, sagte die Grünen-Politikerin. Dies gelte für den Islam ebenso wie für andere Religionsgemeinschaften.
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