piwik no script img

Die VorschauDer Mozart des Broadway

■ Die Deutsche Kammerphilharmonie bietet ein innovatives Festival zum hundertsten Geburtstag von Kurt Weill

„Mich hat nie der Unterschied zwischen ernster und leichter Musik interessiert. Es gibt nur gute und schlechte Musik“. Diese Ansicht Kurt Weills, der am 2. März hundert Jahre alt geworden wäre, ist auch die Philosophie der Deutschen Kammerphilharmonie. Dass nicht alle Cross-Over-Projekte gelangen, gehört zur Sache.

Die Kammerphilharmonie tastet, experimentiert, geht Risiken ein. Und so soll der hundertste Geburtstag von Kurt Weill nicht die „Dreigroschenoper“ wiederkäuen, sondern einen Komponisten vorstellen, der noch ganz andere Facetten hat. Die Amerikaner feierten ihn als „Mozart des Broadway“. Dem ehemaligen Meisterschüler von Ferrucchio Busoni war es nach seiner Flucht 1933 aus dem Nazideutschland in Paris und vor allem Amerika gelungen, einen persönlichen Stil zu finden, in dem er klassische Opernelemente mit Jazz- und Folkzitaten verquickte: ein Grenzgänger aus Leidenschaft.

Diesem Aspekt will sich das kleine Festival der Deutschen Kammerphilharmonie widmen, aber auch dem unbekannten Weill, dem jungen Komponisten in den frühen zwanziger Jahren. So erklingt während des Festivals das Streichquartett op. 8, die Violoncello-Sonate, frühe Versuche Weills, mit Form und (A)Tonalität zu experimentieren. Das Konzert für Violine und Blasorchester (1920) belegt weiter Stiltechniken, die für Weill zutiefst human waren wie die Montage und den Einsatz populären Materials: „Wir haben den Versuch unternommen, eine Musik zu schaffen, die auch das Musikbedürfnis breiterer Bevölkerungsschichten zu befriedigen vermag, ohne die künstlerische Substanz aufzugeben“, sagte er 1929.

Das erste Konzert findet am Donnerstag, 2. März, statt, das zweite bildet den Großen Musikabend bei Radio Bremen 2. Da gibt es gleich mehrere Leckerbissen, zum Beispiel den Auftritt des Willem Breuker Kollektiefs. Wie kaum ein anderer Jazz-Musiker bezieht sich Breuker auf die Musik von Kurt Weill, die er seit Jahrzehnten systematisch sammelt. Dann ist die große Gisela May zu hören, bis heute in ihrer Strenge und gestischen Präzision unerreichte Weill-Interpretin. Und aus der „Kleinen Dreigroschenmusik“ von 1929 wird ein Familienkonzert mit dem Clown-Trio „Extra-Nix“.

Außerdem gibt es in Zusammenarbeit mit dem Kino 46 den 1931 entstandenen Film „Die Dreigroschenoper“ und über Radio Bremen 2 zwei große Sendungen. usl

Festival-Termine: 2. März, 20 Uhr, Glocke: Deutsche Kammerphilharmonie, Leitung Peter Rundel, Solist Kolja Blacher; 3. März, 19 Uhr, Glocke: Gisela May und Stefanie Wüst, Gesang, Willelm Breuker und Ensembles der Deutschen Kammerphilharmonie; 4. März, 11 Uhr, Glocke: Familienkonzert. Deutsche Kammerphilharmonie, Leitung Patrik Ringborg, Clown-Trio „Extra-Nix“; 16. März, 18. März und 19. März, jeweils 20.30 Uhr im Kino 46: „Die Dreigroschenoper“; 17. März und 24. März, jeweils 19.05 bis 23 Uhr auf Radio Bremen 2: Zu Leben und Werk des Komponisten

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen