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Gemeinden und Bürger mit gut gefüllter Kriegskasse

Tausende wollen gegen die Erweiterung des Rhein-Main-Flughafens klagen

Frankfurt (taz) – In der Rüsselsheimer Fußgängerzone standen die Menschen am Sonnabend in langer Schlange vor dem von der lokalen Bürgerinitiative gegen die Flughafenerweiterung aufgebauten Tisch. Alle wollten die dort ausliegenden Unterschriftenlisten gegen alle möglichen Varianten der Erweiterung des Frankfurter Flughafens unterzeichnen und viele sich ihre Vordrucke für eine Klageankündigung gegen eine weitere Rollbahn abholen.

Am Donnerstagabend bei der ersten großen Protestveranstaltung gegen den Ausbau waren knapp 3.000 Menschen gekommen. Viele Haus- und Grundbesitzer wollen den Ausbau-Parteien CDU, SPD und FDP und der Frankfurter Flughafen AG (FAG) ihre Klagebereitschaft per Formular ankündigen – wegen des „Lärmterrors“ und der Wertminderung für ihre Grundstücke. Das Umweltamt hält auch in dieser Woche noch Vordrucke bereit. Brave Mitglieder der Siedlergemeinschaft e. V. etwa hatten die Vordrucke den Informanten von der Stadt und den Aktivisten von der BI zuvor schon auf einer Informationsveranstaltung in ihrem Stadtteil aus den Händen gerissen.

Eine Region wehrt sich: Anders als vor knapp 20 Jahren beim Kampf gegen die Startbahn – aber nicht weniger heftig. An der Spitze der Bewegung in Rüsselsheim steht heute der Oberbürgermeister, Stefan Gieltowski von der SPD. Und er liegt damit quer zu den meisten Abgeordneten der Landtagsfraktion seiner Partei. So wie auch alle anderen Bürgermeister im Umland des Flughafens.

Die Ausbauvariante Landebahn Nord würde Flörsheim – und vor allem den Stadtteil Eddersheim – unbewohnbar machen, befürchtet Bürgermeister Wolf von der CDU. Bei einer Realisierung der Variante Start- und Landebahn Süd wären 40.000 von 60.000 Einwohnern Rüsselsheims permanent einer Lärmbelastung von 67 Dezibel ausgesetzt – selbst für die Verhandlungsmediatoren „aus gesundheitlichen Gründen nicht akzeptabel“ für eine neue Wohnbebauung. Bebauungspläne der Kommunen müssten dann eingestampft werden, sagen sie.

„Aber die schon in der 67-Dezibel-Zone wohnen, die sollen das aushalten“, schimpfte ein Rentner am Stand der BI. Für sein Häuschen habe er ein Leben lang bei Opel gearbeitet. Jetzt sei es abbezahlt – und das Erbe für die Kinder. „Soll ich jetzt als Pensionär im Sommer hinter Doppelglasfenstern sitzen und zugucken, wie die Flugzeuge vorbeifliegen, anstatt in meinem Garten arbeiten oder dort Kaffee trinken zu können?“

Bei einem Ausbau von Rhein-Main, Variante Süd, würden 85.000 Menschen in der Region in einer 67-Dezibel-Lärmzone leben müssen. In Zeppelinheim, einem Stadtteil von Neu-Isenburg, wären die Bewohner einem noch höheren Lärmpegel ausgesetzt; der Ort müsste evakuiert werden.

Mehr als tausend Menschen protestierten dort am vorletzten Wochenende gegen den Ausbau. Massenproteste auch in Mörfelden-Walldorf und in Kelsterbach. Und überall in den Kommunen rund um den Flughafen gab es Informationsveranstaltungen, bei denen Bürgerhäuser aus allen Nähten platzten.

Die Städte und Gemeinden haben ihre Kriegskassen prall gefüllt. Nur die besten Umweltanwälte sollen engagiert werden. Eines werde der beabsichtigte Ausbau nämlich ganz bestimmt für die Betreibergesellschaft, sagte Holger Tanski, ein Ausbaugegner aus den Reihen der Grünen, auf der Demo in Neu-Isenburg: „Sauteuer.“ Da käme der Neubau einer Dependance von Rhein-Main vielleicht in der Wetterau sicher billiger, sinnierte er weiter. Oder der Ausbau des Flughafens Hahn im dünn besiedelten Hunsrück zum Airport für alle Chartermaschinen.

Klaus-Peter Klingelschmitt

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