piwik no script img

Da waren’s plötzlich drei

Heute sollen sich die Europäer auf den Deutschen Koch-Weser als Vorsitzenden des Währungsfonds einigen. USA und Japan nominierten überraschend eigene Kandidaten

Berlin (taz) – Da waren’s plötzlich drei: Letzte Woche überraschten Amerikaner und Japaner die Öffentlichkeit mit ihren eigenen Kandidaten für den Chefposten beim Internationalen Währungsfonds (IWF): Stanley Fischer, derzeit Vizepräsident beim IWF, und Eisuke Sakakibara, ehemals Vizefinanzminister Japans. Bislang hatte sich die Diskussion um die Nachfolge von Michel Camdessus hauptsächlich um die Frage gedreht, ob der deutsche Staatssekretär Caio Koch-Weser in die Washingtoner Währungsbehörde nachrückt oder nicht.

Heute treffen sich in Brüssel die EU-Finanzminister. Höchstwahrscheinlich einigen sie sich auf Koch-Weser als gemeinsamen Kandidaten, denn auch die Franzosen werden sich denken, ein Deutscher ist immer noch besser als gar kein Europäer. Und dann wird es noch ein paar Wochen dauern, bis der neue IWF-Chef gen Washington aufbrechen kann.

Als im Oktober letzten Jahres die ersten Gerüchte über den Rücktritt von Camdessus kursierten, schien dem Staatssekretär im Finanzministerium das Amt zunächst sicher. Er gilt als erfahren: 26 Jahre lang war er bei der Weltbank. Er gilt als kosmopolitisch: In Brasilien aufgewachsen, spricht er fließend Portugiesisch und mehrere andere Femdsprachen.

Dann jedoch ging es los mit den Rangeleien: Die Franzosen brachten den früheren Ministerpräsidenten Laurent Fabius ins Spiel. Und auch die US-Amerikaner meldeten Bedenken an. Ihnen ist daran gelegen, dass der Währungsfonds sich wieder stärker auf seine ursprüngliche Aufgabe des „lender of the last ressort“, also des letzten Gläubigers, besinnt. Sie befürchten offensichtlich, dass Koch-Weser wegen seiner langen Zeit bei der Weltbank sich zu sehr um die Entwicklungspolitik kümmern könnte. Offiziell hieß es, man zweifle an seiner Führungsqualität.

Dabei gilt das ungeschriebenes Gesetz, dass die USA den Weltbankchef stellen und die Europäer den IWF-Vorsitzenden. Ungewöhnlich also, dass mit Stanley Fischer nun doch ein Amerikaner für den Posten nomiert wird.

Oder sollten die Plätze gewechselt werden ? „Allerhöchstens à la longue“, so heißt es im Finanzministerium, könne man sich eine solche Absicht vorstellen. Schließlich sei Weltbankchef James Wolffensohn gerade erst für fünf Jahre in seinem Amt bestätigt worden. Wahrscheinlicher ist, dass die Europäer unter Druck gesetzt werden sollen, sich endlich auf einen Kandidaten zu einigen.

„Ich fände es sehr unklug, wenn jetzt beide Posten mit Amerikanern besetzt würden“, meint jedenfalls die Vorsitzende des Weltbank-Referats im Entwicklungsministerium. Peinlich wäre das auch für den Bundeskanzler. Schließlich hat der sich immer wieder für seinen Kandidaten stark gemacht.

Der Staatssekretär wäre vielleicht besser beraten gewesen, die Flucht nach vorn zu ergreifen und die Öffentlichkeit von seinen Qualitäten zu überzeugen. Das gehört sich zwar nicht bei den Währungsinstituten, die ihre Entscheidungen lieber hinter verschlossenen Türen fällen. Doch nun steht der Unbekannte Koch-Weser einem japanischen Wirtschaftsprofessor und ehemaligen Vizefinazminister sowie einem IWF-Vize gegenüber, von dessen liberalen wirtschaftspolitischen Ansichten jeder VWL-Student schon mal gehört hat.

„Mehr Transparenz“ fordern Entwicklungsverbände wie WEED. „Wir würden uns wünschen, dass jeder Kandidat sein Konzept vorstellt“, so Sprecherin Barbara Unmüssig. „Wo sieht er die Rolle des IWF? Wie grenzt er ihn zur Weltbank ab, welche Aufgaben soll er in der internationalen Finanzarchitektur haben?“

Vom „Japaner“ weiß man, dass er die Aufgaben des Währungsfonds regionalisieren möchte. So könnte jede Region ihre eigene „Filiale“ haben. Entscheidungen würden dann vielleicht näher an den Problemen der betroffenen Menschen gefällt und nicht im fernen Washington. „Wir machen uns aber nichts vor: Natürlich wären diese Regionalbüros mit G-7-Oberhäuptern besetzt. Für Asien wäre dann ein Japaner zuständig und nicht ein Malaysier“, meint die WEED-Sprecherin.

Katharina Koufen

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen