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Beim Währungsfonds geht es um die Macht

Die USA lehnen Caio Koch-Weser als neuen IWF-Chef ab. Sie fordern einen „starken Kandidaten mit weltweiter Unterstützung“. Ein Affront gegen die Europäer, die traditionell den Posten besetzen ■ Von Katharina Koufen

Berlin (taz) – Länger schon hat es gebrodelt und gegärt, bevor es gestern erneut krachte zwischen Europa und Amerika. Die US-Regierung erklärte, sie akzeptiere die Entscheidung der Europäischen Union nicht, den Deutschen Caio Koch-Weser für den Chefposten des Internationalen Währungsfonds (IWF) zu nominieren. Schon am Samstag hatte US-Präsident Bill Clinton Bundeskanzler Gerhard Schröder angerufen: Die EU solle einen neuen Kandidaten suchen. Trotz dieses Winks mit dem Zaunpfahl ernannten die europäischen Finanzminister am Montag in Brüssel den deutschen Staatssekretär einstimmig zum offiziellen EU-Kandidaten.

Zur Begründung des amerikanischen Vetos sagte Joe Lockhart, der Sprecher des Weißen Hauses in Washington, man brauche „einen starken Kandidaten, der fähig sein muss, überall auf der Welt akzeptiert zu werden“, gerade auch von den Entwicklungsländern. Als solcher gilt IWF-Vizepräsident Stanley Fischer, der vorige Woche als Kandidat vorgeschlagen wurde – offiziell von Angola, das 20 afrikanische Länder im Währungsfonds vertritt.

„Wahrscheinlich haben die Amerikaner das den Afrikaner so nahe gelegt“, vermutet der ehemalige Wirtschaftsminister und jetzige europapolitische Sprecher der FDP, Helmut Haussmann. „Ein Treppenwitz“, kommentierte Bernhard May, IWF-Experte bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. „Das wäre ja was ganz Neues, dass sich die Amerikaner dem Vorschlag eines Afrikaners anschließen.“

In der Tat herrschte gestern allgemeines Rätselraten über die wahren Beweggründe der USA. Denn Stanley Fischer wollen sie auch nicht unterstützen, vielmehr soll jetzt ein neuer Europäer in den Ring treten. „Die Amerikaner lenken ein“, so May. Schließlich können sie die seit eh und je bestehende Regel, dass die Europäer über den IWF-Chefposten bestimmen dürfen, nicht über Nacht einfach aufgeben. Aber ganz ohne Hintergedanken ist das Gezerre von Seiten Washingtons nicht, meint May: „Man will Druck ausüben, um die anstehenden IWF-Reformen nach US-Vorstellungen durchzusetzen.“ Denn die USA wollen die Rolle des IWF auf seine ursprünglichen Aufgaben zurückschneiden, während in Europa eher die Auffassung vorherrscht, der Fonds habe ein breiteres Aufgabenspektrum und solle enger mit der für die Entwicklungshilfe zuständigen Weltbank zusammenarbeiten. Indes kommt das transatlantische Veto nicht aus blauem Himmel: Schon lange vor der Einigung am Montag hatten sich immer wieder Stimmen gegen Koch-Weser erhoben. Er sei nicht kompetent genug für eine solche Führungsposition, hieß es aus den USA. Doch dann schienen diese doch einzulenken – erwartungsgemäß – und die Wahl der Europäer zu akzeptieren.

Auch innerhalb der EU stieß der Wunschkandidat von Gerhard Schröder keineswegs auf Zustimmung. Doch der interne Modus der Vergabe solcher Ämter – unter den drei „Großen“ der EU – sprach einfach dafür, dass diesmal ein Deutscher an der Reihe sein sollte: Die Franzosen hatten die letzten beiden IWF-Chefs gestellt, den Briten ist der Posten des Nato-Generalsekretärs zugesprochen worden. Trotzdem hatte Frankreich zunächst Ministerpräsident Laurent Fabius als Wunschkandidaten ins Spiel gebracht – wohl aus einem einfachen Grund: „Die Franzosen gönnen uns das nicht richtig“, meint Helmut Haussmann. „Es wäre aber schlauer gewesen, zunächst bilateral mit den Franzosen zu verhandeln.“

„Die Art und Weise, wie der Kandidat persönlich angegriffen wird, hat eine neue Qualität“, sagte Christian Sterzing, außenpolitischer Sprecher der Grünen. Die EU will sich trotz allem weiter „mit allen Kräften“ für ihren Kandidaten einsetzen, sagte der portugiesische Finanzminster Joaquim Pinamoura gestern stellvertretend für den Ministerrat. Indes gilt es als äußerst unwahrscheinlich, dass der Posten gegen den Willen der USA besetzt wird.

„Hoffentlich können sich die IWF-Mitglieder einigen, bevor es hart auf hart kommt“, so Haussmann. „Der Währungsfonds ist durch diesen Streit schon genug beschädigt worden.“

Kommentar Seite 12

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