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Die große Gelben: Zurückbleiben!

■ Wird der Busverkehr bald privat? Die Verkehrsverwaltung befürchtet, dass private Anbieter die Ausschreibung der Buslinien vor Gericht durchsetzen könnten. Gewerkschaften erwarten knallharten Verdrängungswettbewerb

Der öffentliche Busverkehr könnte demnächst gehörig durcheinander gewirbelt werden. In der Verwaltung von Verkehrssenator Peter Strieder (SPD) wird befürchtet, dass die Klage der DB Regio gegen die Vergabe von Buskonzessionen an die BVG Erfolg haben könnte. Sollte das Bundesverwaltungsgericht in seinem für das nächste Jahr erwarteten Urteil eine ähnliche Auffassung vertreten, könnte das Land in den nächsten Jahren dazu verpflichtet sein, die Vergabe von Buskonzessionen auszuschreiben. Eine mit der BVG vereinbarte Schonfrist würde sich drastisch verringern.

Den Auftrag, eine bestimmte Linie oder ein Linienbündel zu bedienen, würden dann die günstigsten Anbieter erhalten. Die BVG hätte aufgrund ihrer Kostenstruktur schlechte Karten. Für das Land hätte das enorme finanzielle Konsequenzen: Da die BVG dem Land gehört, müssten die durch den Verlust der Konzessionen steigenden Defizite ausgeglichen werden. Darüber hinaus müsste das Land auch günstigeren Anbietern unter die Arme greifen – wenn auch in geringerem Maße als bei der BVG.

Für die Kunden würde sich nach Ansicht von Verkehrsexperten nicht viel ändern. Das Land könnte in den Ausschreibungen festlegen, wann wie viele Busse wo zu fahren haben. Nur wer bereit ist, diese Bedingungen zu erfüllen, würde den Zuschlag bekommen. Möglich wäre auch, die Auftragserteilung an die Einhaltung bestimmter Lohn- und Gehaltstarife zu koppeln. Das ist etwa in der Baubranche der Fall.

„Wir begrüßen den Wettbewerb, weil er den Nahverkehrskunden Vorteile bringen würde“, sagte gestern eine Sprecherin der Verkehrsverwaltung. Grundsätzlich sei es möglich, den öffentlichen Busverkehr durch Ausschreibungen privat zu organisieren. Nach Expertenmeinung sind Kosteneinsparungen von rund 30 Prozent möglich – bei gleichem Angebot an Verkehrsleistungen. Grund sind in erster Linie die wesentlich geringeren Löhne, die im privaten Busgewerbe gezahlt werden. Darüber hinaus sind die Privaten straffer organisiert als die BVG. Strieders Sprecherin betonte aber die soziale Verpflichtung, die das Land habe. „Da geht es um tausende Arbeitsplätze.“ Zwar müsse sich auch die BVG bewegen. Dafür brauche das Unternehmen aber Zeit.

Die könnte allerdings demnächst knapp werden. Die DB Regio, eine Tochter der Deutschen Bahn AG, hatte Ende Januar Klage gegen die Vergabe von 76 Buskonzessionen an die BVG eingereicht – mit guten Chancen, wie man jetzt selbst in Strieders Haus einräumt. Laut einer EU-Richtlinie, die derzeit verschärft wird, hätte der Senat die Linien ausschreiben müssen, argumentieren die Kläger. Bereits im vergangenen Jahr hatte das Verwaltungsgericht Magdeburg in einem ähnlichen Fall Ausschreibungen angemahnt. Ob der freie Wettbewerb allerdings die gewünschten Vorteile für die Kunden bringt, halten zumindest Gewerkschafter für unsicher. Die befürchten einen knallharten Verdrängungswettbewerb, bei dem sich nur der Billigste durchsetze – auf Kosten von Service und Sicherheit. Die Erfahrungen in anderen Länder scheinen das zu bestätigen. „In London, wo es seit einiger Zeit Wettbewerb gibt, geht alles drunter und drüber“, sagt eine Insiderin. Richard Rother

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