: Mit naturgegebener Kraft gegen das Huhn in dir
Das Remis gegen Tabellenführer Manchester United beweist: Der FC Liverpool ist nach einer Dürreperiode wieder auf dem Weg nach oben
MANCHESTER taz ■ Schon um viertel vor acht, im Biorhythmus von Profifußballern also tief in der Nacht, stieg der deutsche Nationalspieler Dietmar Hamann am Samstagmorgen aus dem Bett und stellte begeistert fest, „da bist du viel frischer als sonst, wenn du an Spieltagen bis neun oder zehn pennst“. Anstoß zum Spiel des FC Liverpool in Manchester war bereits um 11.30 Uhr. Er wurde vorverlegt, um den Alkoholkonsum und somit die Rauflust der Fans einzuschränken. Tatsächlich spielten Hamann und sein Team mit beachtlicher Morgenfrische. Das 1:1-Unentschieden beim Tabellenführer Manchester United zeigte, dass der englischen Rekordmeister FC Liverpool wieder ein Spitzenteam kreiert.
„Ich kann verstehen, warum wir ein ‚kommendes Team‘ genannt werden“, sagte Trainer Gerard Houllier, dessen Mannschaft als Tabellenfünfter um die Qualifikation für die Champions League ringt. Der Kampf um die Meisterschaft ist laut Houllier zwölf Spieltage vor Saisonende „schon vorbei: United ist zu gut, um sich den Vorsprung nehmen zu lassen.“ Am Samstag aber verfiel ihr Trainer Alex Ferguson angesichts seiner wackelnden Abwehr dem Zynismus: „Wir dachten wohl, das ist ein Trainingspielchen: Dribblings im eigenen Strafraum und im Doppelpass aus der Abwehr raus.“
Liverpool dagegen brachte sich um den vollen Erfolg, weil Trainer Houllier der Zeit voraus war; um fünf Minuten, um genau zu sein: „Ich dachte, es wären nur noch zwei Minuten bis zur Halbzeit“, sagte Houllier, dabei waren es noch sieben, als sein Spielführer Sami Hyppia mit einer Fleischwunde am Fuß vom Platz getragen wurde. Houllier, im Glauben, es sei eh gleich Pause, brachte keinen Ersatzmann, in der falschen Hoffnung, der Finne könne nach der Halbzeit mit genähter Wunde weitermachen. Eine kleine Ewigkeit spielte Liverpool also freiwillig in Unterzahl, und prompt gelang Ole Solksjaer in der 45. Minute das 1:1.
„Ich habe in der Halbzeit deutlich gesagt, was ich davon hielt, so lange zu zehnt zu spielen“, berichtete Hamann. Es ist anzunehmen, dass er nicht sagte: Super, das können wir öfters machen. Bis dahin hatte Liverpool die Richtung vorgegeben. Der Tscheche Patrick Berger, einst für Borussia Dortmund tätig, schoss den FC in der 21. Minute mit einem Freistoß aus 25 Metern in Führung. Ihr Spiel sieht nicht so klassisch elegant aus wie etwa das von United in Bestform, aber es steckt eine bewunderswerte Courage in dieser Elf, eine seltene Hartnäckigkeit. 22 Gegentore in 26 Spielen, so wenig wie kein anderer in England hat der FC bislang hinnehmen müssen.
Der Schweizer Verteidiger Stéphane Henchoz gab diesmal das herausragende Beispiel dieser Standhaftigkeit. Houllier: „Für ein gutes Team brauchst du Spieler mit Talent, aber auch mit mentaler Härte. Die Härte meiner Spieler ist naturgegeben, die kannst du als Trainer nicht transplantieren: Wenn du Hühner hast, hast du Hühner.“ Was er an Dietmar Hamann hat, konnte er vor allem in der zweiten Halbzeit sehen, als der Deutsche die Mitte des Feldes kontrollierte. Ein ums andere mal unterbrach er Uniteds Angriffe und leitete mit schnellen Pässen den Gegenstoß ein. „Ich bin vergangene Woche auf der Fußball-Messe in Cannes in Franz Beckenbauer gerannt, und er schätzt Didi genauso sehr wie ich“, sagte Houllier.
Der Präsident von Bayern München habe ihm gesagt, „sie bauen die deutsche Nationalelf um Didi herum auf“. Da allerdings hat Beckenbauer offenbar etwas verpasst: Teamchef Erich Ribbeck hat nach dem 1:2 der Deutschen vor zwei Wochen gegen die Niederlande angekündigt, im nächsten Test, am 29. März in Kroatien, würde der Berliner Wosz im Mittelfeld spielen; was nur heißen kann, dass Hamann nicht spielt.
„Ich sage dazu nichts, da ist jedes Wort zu viel“, meint Hamann. Sieben Wörter lassen sich dazu schon noch anmerken: Ribbecks Maßnahme verrät mehr Panik als Konzept.
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