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„Geradezu contraintellektuell“

Studis und Uni-Angestellte wehren sich gegen Vermarktung des Flügelbaus  ■ Von Gernot Knödler

Die „deutsche Musikprominenz“ macht den StudentInnen und Angestellten der Uni den neuen Flügelbau streitig. Zur Verleihung der „New Faces Awards“ der Zeitschrift Bunte für musikalische Nachwuchstalente wird der Anbau mit Bibliothek und Arbeitsräumen derzeit in ein Aquarium verwandelt. Arbeiter schrauben und Hämmern an einer Bühne; sie verkleben die ins Foyer weisenden Bürofenster der wissenschaftlichen MitarbeiterInnen mit blauer Folie, und morgen nachmittag soll dann auch noch Musik geprobt werden. Die MitarbeiterInnen sind es gewohnt, dass im Flügelbau Veranstaltungen organisiert werden. Doch das ist zuviel: Gleich vier Protestbriefe von Angestellten wird Uni-Präsident Jürgen Lüthje auf seinem Schreibtisch finden, wenn er aus dem Urlaub zurückkommt.

So schreiben die Wissenschaftlichen MitarbeiterInnen (Wimis) vom Fachbereich Jura, sie könnten „keinerlei Verständnis“ dafür aufbringen, dass die Uni-Verwaltung das Gebäude für eine Veranstaltung vermarkte, „die den Wissenschaftsbetrieb für eine ganze Woche stören wird, ohne dass sie den geringsten Bezug zur Universität aufweist.“ Im Gegenteil, „diese Fete des Show-Business liegt auf einer äußerlichen, konsumorientierten und geradezu contraintellektuellen Seite unserer Gesellschaft, die ganz und gar im Gegensatz zu dem steht, was die Universität fördern und repräsentieren sollte.“

Wenn das Gebäude schon vermarktet werde, sollten die betroffenen Bediensteten wenigstens ein Wörtchen mitzureden haben, sagt der Wimi Moritz Reese, während im Hintergrund eine Maschine wummert, und die Studis nebenan in der Bibliothek über ihren Examensarbeiten schwitzen. Reese und seine Kollegen wollen lediglich über einen Aushang der Bunten von der Veranstaltung erfahren haben.

Hartmut Halfmeier, leitender Verwaltungsbeamter der Uni, gibt zu, „dass diese Veranstaltung den Rahmen möglicherweise sprengt“. Er habe nicht einschätzen können, dass die Vor- und Nacharbeiten derartige Ausmaße annehmen würden. „Da müssen wir einfach lernen“, so der Verwaltungsbeamte. Die „New Faces Awards“ seien erst das zweite oder dritte Event dieser Art. Grund für die mangelhaften Information der MitarbeiterInnen sei möglicherweise ein „Weitergabeproblem“. Vertreter der Fachbereiche seien informiert worden, hätten ihr Wissen aber wohl nicht weitergereicht.

Halfmeier betonte allerdings, dass die Uni grundsätzlich daran festhalten wolle, das Forum des Flügelbaus auch für kommerzielle Zwecke zu vermieten. Wissenschaftliche Veranstaltungen hätten aber Vorrang. Wieviel die Hochschule durch die Vermietungen eingenommen habe, so Halfmeier, könne er nach knapp einem Jahr noch nicht sagen.

Die StudentInnen reagierten unterdessen prompt: Der Fachschaftsrat Jura klebte Plakate mit dem Universitätssigel, auf denen der „Kommerzpräsident der Universität Hamburg“ zur Verleihung des „New-Asshole-Award“ (“Neuen-Arschloch-Preises“) ins Aquarium bittet.

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