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Das Wintersportereignis der Saison

Es gibt kein geregeltes Leben: Am Wochenende verabschiedeten sich die Clubs Init und Roxy von ihren Freunden

Die Roxy-Betreiber sitzen in einer Ecke ihres Clubs, einem fensterlosen, kahlen Raum in der Init-Kunsthalle, die früher ein Supermarkt war. Sie sind noch einmal zusammengekommen, um für ihre Freunde eine letzte Party zu geben. Eine Privatparty von einem Freundeskreis für einen noch größeren Freundeskreis.

Nach diesem Prinzip haben sie schon im Sommer gehandelt und mit dem Club Ibiza in einem ehemaligen Küchenstudio in der Karl-Marx-Allee für Furore gesorgt. Nun begraben sie ihr Freitagskind Roxy, das für alle, die auf Tanzen in kahler Umgebung standen, das Wintersportereignis der Saison war. Kaum hatten sie mit ihrer Eröffnung den tristen Berliner Winterabenden etwas Schönheit gegeben, wurden sie vom Publikumsandrang überrumpelt.

Da das Roxy für Freunde gedacht war, sollten diese den Vorrang haben: Clubkarten mussten her. „All meine Freunde kommen ins Roxy“ stand da drauf. Ohne Freunde und ohne Karte musste man mitunter lange draußen warten, um sich dann trotzdem zugehörig fühlen zu dürfen. Einen guten Partyort mit wenig Investitionen für Gast und Gastgeber zu machen war Hauptmotivation der Roxy-Betreiber. Kommerzielles Interesse sei nicht dabei gewesen. Deshalb gibt es auch keinen Nachfolgeclub.

Am letzten Abend strömen demnach auch so viele Freunde wie noch nie ab Mitternacht in den Raum und gruppieren sich um Sofa und Bar. Das Publikum ist weder zu jung noch zu schön. Im Nebenraum des Roxys, der Init-Bar, legt Alexander Schröder von der Galerie Neu Reggae auf. Auch in diesem Teil der Supermarkt-Baracke wird zum letzten Mal gefeiert. Schröder war wie Christian Nagel (Galerie Nagel, Köln) einer der Initiatoren der Init-Kunsthalle, mit der zeitgenössische Kunst gefördert werden sollte. Der Raum wurde Kunsthalle getauft, um provokativ der Forderung nach einer offiziellen Kunsthalle in Berlin nachzukommen. Die ausgestellten Künstler bewegen sich in einem international renommierten Kunstumfeld: Heimo Zobernig, Martha Rosler, Albert Oehlen.

Schröder wusste von Anfang an um die zeitliche Begrenzung der Projekte. „Es ist doch gar nicht so schlimm, dass die Bars jetzt ein Ende haben – oder?“ Im hinteren Raum der Init-Bar, der sich nicht groß von einem Liftschacht unterscheidet, außer dass er sich in der Horizontalen befindet, stehen allerdings mehrere Künstler, die das Ende von Kunsthalle, Init und Roxy doch traurig stimmt. Das schönste Barmöbel Berlins, im vorderen Raum der Init-Bar, wird am letzten Abend umlagert wie nie zuvor. Noch einmal darf man sich am schlichten, 10.000 Mark teuren Laminatschmuckstück fest halten. Das schicke Holzimitat, entworfen von den Architekten Wilfried Kühn und Frank Böhm, wird danach auf unbestimmte Zeit eingelagert.

Morgens um 9 ist definitv Schluss mit den nächtlichen Aktivitäten im einstigen Supermarkt. Jeder Besucher verneigt sich noch mal, um unter der Kette am Eingangstor hindurch auf die Straße hinaustreten zu können. Ende März wird die Baracke eingeebnet. „Einzelhandelsflächen“ verspricht eine Baureklame als baldigen Ersatz.

ADRIAN AUER

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