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Rot-Grün bleibt beim Erben untätig

Die von Karlsruhe angemahnte Erhöhung der Erbschaftssteuer wäre wenig populär und käme nur den Ländern zugute

FREIBURG taz ■ Im vergangenen Herbst sah die Welt noch anders aus. Die CDU steckte noch nicht im Spenden-Sumpf, Kanzler Schröder war noch in der Defensive. Vor allem musste er sich gegen den Vorwurf verteidigen, sein Sparpaket weise eine „soziale Schieflage“ auf.

Als die Forderung nach Wiedereinführung der Vermögenssteuer immer lauter wurde, schnürte Schröder ein alternatives Fünf-Punkte-Paket, dessen prominenteste Maßnahme eine Reform der Erbschaftssteuer war. Danach sollten die Erben großer Immobilienwerte künftig stärker zur Kasse gebeten werden. Konkrete Pläne legte Schröder indes nicht vor. Er verwies vielmehr auf eine Sachverständigenkommission, die bis Anfang 2000 konkrete Modelle ausarbeiten sollte. Doch nun ist es März und von dieser Bund-Länder-Kommission ist immer noch nichts zu hören. Die Untätigkeit hat durchaus Kalkül: „Im Moment konzentrieren wir uns ganz auf die Reform der Unternehmenssteuer“, betont der grüne Finanzexperte Klaus Müller, „eine kontroverse Diskussion um die Erbschaftssteuer würde da nur stören.“

Tatsächlich ist eine Erhöhung der Erbschaftssteuer nicht sehr populär. Während die Wiedereinführung der Vermögenssteuer gute Umfragewerte hatte, weil sich kaum jemand betroffen fühlte, ist das bei der Erbschaftssteuer anders: Gerade in der breiten Mittelschicht wird viel geerbt. Doch mit guter Öffentlichkeitsarbeit und hohen Freibeträgen allein ist die Reform nicht zu bewerkstelligen. Es müssen auch die erforderlichen Mehrheiten gefunden werden. Und da sieht es schlecht aus. „Wir werden die Pläne der SPD im Bundesrat zu Fall zu bringen“, drohte im Dezember der inzwischen zum Unions-Fraktionsvorsitzenden gewählte Friedrich Merz.

Finanzminister Eichel (SPD) hat auf diese Konstellation inzwischen reagiert. Er will die Finanzpläne nur vorantreiben, wenn es klare Signale von Länder-Seite für eine Mehrheit im Bundesrat gibt. Seine Zurückhaltung ist verständlich: Die Erbschaftssteuer kommt schließlich nicht dem Bund, sondern ausschließlich den Landeshaushalten zugute. Für Bewegung kann da wohl nur noch der Hinweis auf das Bundesverfassungsgericht sorgen. Dieses hatte nämlich 1995 festgestellt, dass Immobilien bei der Erbschaftssteuer unzulässig gut wegkommen. Während Barvermögen oder Aktien mit dem vollen Wert angesetzt werden, galten für Grundstücke längst überholte „Einheitswerte“, die nur etwa 20 Prozent des Verkehrswertes ausmachten. Für diese Ungleichbehandlung sah Karlsruhe keinen „sachlichen Grund“ und forderte eine Neuregelung bis Ende 1996.

Tatsächlich gilt seit Anfang 1997 ein neues Bewertungsrecht. Nach einem komplizierten Verfahren werden bebautete Grundstücke nun mit 50 bis 60 Prozent des Verkehrswerts angesetzt. Ob dies den Vorgaben aus Karlsruhe bereits genügt, ist allerdings zweifelhaft. Zwar ist eine völlige Anpassung der Werte nicht erforderlich, da Grundstücke nicht so leicht zu Geld zu machen sind wie etwa Aktien. „Eine Aufstockung auf etwa 70 bis 80 Prozent des Verkehrswerts dürfte jedoch nötig sein, um verfassungsrechtlich auf der sicheren Seite zu sein“, glaubt Müller.

Zumindest bis zu den NRW-Wahlen im Mai wird die Bundesregierung ganz entschieden untätig bleiben. Von „sozialer Schieflage“ redet zur Zeit ja ohnehin niemand. CHRISTIAN RATH

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