: Medienkrieg in Serbien
Das harte Vorgehen des Regimes gegen kritische Medien könnte einen Bürgerkrieg provozieren. Die Opposition ist in der Zwickmühle. Sie muss Farbe bekennen
BELGRAD taz ■ „Das serbische Regime provoziert einen Bürgerkrieg“, erklärt Dragan Kojadinović, Direktor des einzigen oppositionellen Belgrader TV-Senders „Studio B“. Nach mehreren Prozessen sei sein Sender nun auf rund 500.000 Mark verklagt worden. „Studio B“ würde sich mit allen Mitteln wehren, die Opposition werde sich verteidigen müssen, wenn das Regime „die Repression und den Staatsterror“ nicht endlich einstellte.
Vergangene Woche schaltete das Ministerium für Telekommunikationen TV-„Nemanja“ in Krusevac, Radio „Bum 93“ in Pozarevac, Radio „Tir“ in Cuprija und Radio-„Golf“ in Belgrad ab und beschlagnahmte die Ausrüstung. Die Begründung: unbezahlte Nutzung der Frequenzen.
Nur in der Provinzstadt Pozega stießen am Samstag die Inspektoren des Ministeriums auf Widerstand. Tausende versammelten sich, um den Stadtrundfunk zu verteidigen. Sie blockierten den Eingang zum TV-Gebäude und verprügelten die Inspektoren. Die Siegesfeier der oppositionellen Stadtverwaltung war nur von kurzer Dauer. Am Sonntag um drei Uhr morgens stürmte die Polizei das Dach des Hauses und demontierte die Sendeanlagen. TV-Pozega sendet nicht mehr, die Stadtverwaltung hat weitere Proteste angekündigt.
In Serbien nimmt der „Kampf um die Medien“ größere Ausmaße an. Das Regime behauptet, die „chaotischen Zustände“ unter den Medien, die „wild senden“, regeln zu wollen. Die Opposition wirft dem Regime „Staatsterror“ vor, nach dem Motto: „Wer nicht gleichgeschaltet ist, wird ausgeschaltet“. Ein Vorspiel zu den Kommunalwahlen, die bis Jahresende stattfinden sollen.
Die Opposition steht jetzt vor der Wahl: entweder die oppositionellen Medien zu verteidigen, um den Preis gewalttätiger Konflikte, oder sich mit der Gleichschaltung aller einflussreichen Medien abzufinden. Das hieße das Verschwinden aus der Politik zu akzeptieren. Gestern schloss die Opposition ein Abkommen: Falls „Studio B“ nicht mehr senden dürfe, würden die Belgrader zu Protesten aufgerufen.
Das Regime geht geschickt vor, schlägt gezielt zu, ohne auf ernsten Widerstand zu stoßen. Allmählich gewöhnen sich die Serben daran, dass Medien über Nacht geschlossen werden, privates Eigentum beschlagnahmt wird und gegen Andersdenkende politische Prozesse geführt werden. Die Opposition beschränkt sich auf eine verbale Verteidigung. Denn die Chefs bangen um ihr Leben. Milošević hat klargestellt: Es gebe keine Opposition, das seien Söldner und Handlanger der Nato. Der Staat würde mit seinen Gegnern abrechnen. Bedrohlich schnell eskaliert die Situation. Ein Positionskampf zwischen Regime und Opposition um die Kontrolle über die Medien hat begonnen. ANDREJ IVANJI
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen