: Goldene Nase rütteln
Zwei Lübecker haben die ultimative Marktlücke entdeckt: Sie prüfen Laternenmasten ■ Von Eva-Maria Mester
Das Rütteln an Straßenlaternen gilt gemeinhin als jugendlicher Unfug oder als Zeichen überhöhten Alkoholgenusses. Wenn die Lübecker Oliver (32) und Mathias (36) Roch jedoch an Licht- oder Ampelmasten rütteln, sind sie weder übermütig noch betrunken. Die Brüder prüfen auf diese Weise vielmehr gewerbsmäßig die Standfes-tigkeit der Masten. Weil ihre Firma, die Roch Prüfdienste AG, floriert, rütteln die beiden allerdings nicht mehr selbst, sondern beschäftigen weltweit 75 Mitarbeiter.
Gerüttelt wird auch nicht von Hand, sondern mit modernster Technik. Ein umgebauter Bagger zieht mit Hilfe einer Schlaufe den Mast im oberen Teil zur Seite, während unten die Bewegung gemessen und die Werte als Kurve auf einen Bildschirm übertragen werden. Eine gleichmäßig verlaufende Kurve zeigt: alles in Ordnung. Weicht die Kurve dagegen von der Soll-Linie ab, zeigt sie Verformungen oder gar Zacken, ist Gefahr im Verzug: Das Material ist ermüdet, weist feine Risse oder unsichtbare Korrosionsschäden auf, oder das Fundament ist nicht mehr tragfähig.
An 180.000 Laternen-, Strom- und Ampelmasten haben die Mitarbeiter des Unternehmens inzwischen schon gerüttelt. Viele dieser Masten standen im Ausland. Firmen in Großbritannien, Frankreich und den USA sind inzwischen als Li-zenznehmer tätig. Das Auswechseln eines Mastes kostet zwischen 2000 und 3000 Mark, eine Rüttelprüfung dagegen nur 100 Mark, und die Betreiber brauchen nicht vorsorglich alle Masten, sondern nur die wirklich gefährdeten zu ersetzen.“
Innerhalb von fünf Jahren hat sich das Unternehmen von einer Zwei-Personen-Firma zu einer Aktiengesellschaft entwickelt, die nach Angaben Rochs in diesem Jahr einen Umsatz von 25 Millionen Mark erwartet und an die Börse gehen will. Der Markt sei riesig, rechnet der Firmenchef vor: Weltweit gebe es mindestens 250 Millionen Masten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen