: Der Bayer als Dämon
■ Kabarettist Gerhard Polt und die Biermösl Blosn gastierten in der „Mehrzweckhalle“ am Goetheplatz
Bräsig ist zwar kein bayrisches Wort, aber es beschreibt die Art am besten, wie der Gerhard Polt da auf der Bühne sitzt, während die „Biermösl Blosn“ neben ihm blosn, zupfn und trällern. Auch und gerade wenn er nichts tut, ist der Mann auf virtuose Art witzig – keine Miene verzieht er, sitzt nur breitbeinig da und kratzt sich mal, selbst wenn ihm der Michael Well mit der Tuba zünftig direkt ins Ohr n'ein bläst. Keine Sekunde fällt er aus der Rolle.
Auf der Bühne ist Gerhard Polt der ewige Spießer, der dumpfe Kotzbrocken, der Alptraum-Bayer: Eine Kunstfigur, deren Tiraden und Gesten sich der Polt so genau und böse bei seinen schlimmsten Mitmenschen abgehört und -geschaut hat, dass man bei ihm nie einfach nur lachen kann. Komisch ist er, sehr komisch sogar, aber auch so nah dran an der Realität, dass die von ihm zum Leben erweckten Saufköppe, Stammtischler oder Kurorts-Bürgermeister auch immer eine dämonische Seite haben.
Das sind schlimme Tyrannen, auch wenn ihr Reich und ihr Horizont noch so klein ist, und der Polt zeigt uns auf der Bühne ein satirisches Horrorkabinett. Das Lachen ist bei ihm immer vermischt mit der Angstlust – eine sehr wirkungsvolle Mischung.
Die drei Well-Brüder von der Biermösl Blosn spielten die passende Musi dazu: eine anarchistische Volksmusik mit Liedern voller aktueller kabarettistischer Spitzen, zu denen die bayrischen Lieder auf den traditionellen Instrumenten wie Drehleier, Harfe, Dudelsack und Alphorn den vermeintlich harmlosen Kontrapunkt liefern. Das ausverkaufte Theater am Goetheplatz war für sie auch nur eine weitere „Mehrzweckhalle“, in der sie ihre improvisierten Spottgesänge aufs Publikum losließen.
Nun kann man in Bremen leicht über den „Alpen-Ajatollah“ Haider und die „Alpen-Hisbolla“ CSU lachen, aber als die erstaunlich gut über Bremer Gegebenheiten unterrichteten Bayern dann auch res-pektlose Reime über Bremens obersten Kulturverweser Strömer, über Dodenhof, Oberneuland und gar Beck's Bier machten, waren die Heiterkeitsausbrüche im Publikum längst nicht mehr so laut. An ihren Lachern sollst du sie erkennen.
Meist wechselten sich das Trio und der Soloperformer mit ihren Vorträgen ab, wobei, wie gesagt, der Gerhard Polt bei der Musik sehr beredt daneben hockte. Aber bei den Zugaben kamen sie dann doch zusammen: Zuerst muhte der Herr Polt nur leise ins Mikrophon, während die drei Brüder auf Alphörnern mitten hinein in die vorderen Reihen bliesen.
Aber dann gab es noch ein wunderbares Stück absurdes Theater, das sich durchaus mit den Nashörnern von Ionesco messen lassen kann. Denn zu einem leicht afrikanisch temperierten Ländler entstieg Polt plötzlich der von ihm den ganzen Abend über projizierten Kunstfigur, begann völlig unbayrisch auf der Bühne mit sehr erotischen Hüftschwüngen zu tänzeln und intonierte dabei eine temperamentvolle und gar nicht schlechte Parodie von afrikanischen Popgesängen. Da wurde vor unseren Augen plötzlich ein Mensch lebendig, sinnlich, sympathisch. Eine äußerst raffiniert gesetzte Schlusspointe von Gerhard Polt, der so die bitterböse Satire durch eine beschwingte Utopie aufhob. Wilfried Hippen
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