■ H.G. Hollein: Proband t09p08
Die Frau, mit der ich lebe, sieht es gern, wenn ich etwas dazu verdiene. Und Schuppenflechte hätte ich ja schließlich. „Gute Bezahlung“ wurde immerhin für Inhaber selbigen Gebrechens vom Institut X ausgelobt, so jene denn bereit seien, an einem Präparate-Test teilzunehmen. Die Gefährtin war bereit, mich teilnehmen zu lassen. So wurde aus mir Proband „t09p08“ und ein begeisterter Frühpendler zwischen Ottensen und den nördlichen Einöden Poppenbüttels. Dort lernte ich zunächst, dass Probanden eigene Warteräume, eigene WCs und vor allem eine eigentümliche Fähigkeit haben: Sie beherrschen die kontrollierte Abgabe von Anfangs-, Mittel- und Nachstrahl-Urin. Oder sollten es zumindest. Außerdem sollte die abgezapfte Blutprobe keine Hinweise auf Alkoholmissbrauch, HIV oder Hepatitis ergeben. Da kann ich jetzt also beruhigt sein, und mit meinem Blutdruck kann sich offenbar jeder Zuchtbulle sehen lassen. Ansonsten musste ich die Gefährtin dahingehend bescheiden, dass ich mich laut Kleingedrucktem jeglicher „Aktivität mit stärkerer Schweißbildung“ zu enthalten hätte. Ich fand ja, die Gefährtin nahm das ein bisschen zu beiläufig hin. Dass während der 14 Tage „Baden und Sauna“ nicht erlaubt seien, wollte sie schon weniger gerne hören. So wurde ich denn jeden Morgen von einer freundlichen jungen Dame „präpariert“, die so was offenbar schon öfter gemacht hatte. Zumindest verschwendete sie weder Worte noch Bewegungen. Zum guten Schluss beugten sich dann noch mal drei interessierte Köpfe über die befallene Region, allein der Anblick weckte keine übertriebene Be-geisterung. „Also, ich seh nichts“, „Da. Vielleicht“ und „Ich geb dem mal 'ne Null“, empfand ich denn doch als Tiefschlag gegen meine Probanden-Ehre. Immerhin blieb mir der Gefährtin Trost: „Wahrscheinlich warst du sowieso nur der Kontroll-Placebo.“
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