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Einen Platz im Himmel reserviert

Alle Sekten und Freikirchen, die das Jüngste Gericht zum Jahrtausendwechsel versprachen, sind in Erklärungsnot

BERLIN taz ■ Die „Bewegung für die Wiederherstellung der Zehn Gebote Gottes“ entstand 1994 als Abspaltung der katholischen Kirche, die im Westen Ugandas besonders stark ist. Sie wurde 1997 als Nichtregierungsorganisation anerkannt. Zwei ehemalige katholische Priester gehörten zu ihrer Führung. Ob ihr Gründer und Chef Joseph Kibweteere jetzt auch tot ist, ist bisher ebensowenig bekannt wie die genaue Zahl der Opfer des Massenmordes. Die offizielle Opferzahl erreichte gestern 500, aber die Polizei hielt auch 600 für möglich.

Kibweteeres Sekte ist eine von vielen Freikirchen, die in Uganda wie auch in vielen anderen Ländern Afrikas in Zeiten der politischen Krise immer stärker werden. Sie ködern ihre Mitglieder mit dem Versprechen, ins Paradies zu kommen, solange sie sich strikt an die Vorgaben ihrer Kirche halten und die Gebote der Bibel aufs Wort befolgen. Daneben verlangen sie die Teilnahme an oft tage- und nächtelangen Gottesdiensten und zuweilen auch die Aufgabe ihrer materiellen Güter. Auf diese Weise dienen sie vor allem der Bereicherung der Sektenführer.

In Uganda gründen sich die Sekten zum Teil auf einer in vorkoloniale Zeiten zurückreichende Tradition semireligiöser Geheimbünde. Bis heute hält sich im Norden Ugandas die Lord’s Resistance Army (LRA), eine von einer Priesterin gegründete brutale Guerillaarmee, die ihre Mitglieder hauptsächlich per Kindesentführung rekrutiert.

Die Grenzen zwischen etablierten Kirchen und Sekten sind fließend. Aufsehen erregte bereits 1977 ein katholischer Priester im Westen Ugandas, der neun Mädchen rituell töten ließ. Und oft entsteht eine Sekte einfach dadurch, dass ein Priester sich mitsamt seiner Gemeinde als eigene Religionsgemeinschaft etabliert.

Im letzten Jahr verkündetenviele Sekten das Ende der Welt spätestens zum Jahresende 1999. So entstand im Februar 1999 in der Stadt Luwero die „Last Message Warning Church“ unter Führung von Wilson Bushara. Der selbst ernannte „Prophet“ sagte, er werde seine Gläubigen beim auf Juli 1999 terminierten Weltuntergang in den Himmel bringen, wenn sie ihm vorher all ihre materiellen Güter überließen. Er könne auch gegen entsprechende Bezahlung die besten Plätze im Himmel reservieren.

Über 1.000 Menschen folgten Busharas Aufruf und ließen sich nach dem Kirchenbeitritt in einem Park in Luwero nieder, um auf das Ende der Welt zu warten. Im September stürmte die Polizei das Sektenlager und schickte die mittlerweile ziemlich verzweifelten Gläubigen nach Hause. Einige Sektenführer wurden verhaftet.

Eine weitere Sekte unter Leitung eines 19-jährigen Mädchens wurde im November 1999 von der Polizei aufgelöst. Mehrere hundert Menschen hatten zeitweise bei ihr gelebt und ein Todesfasten begonnen, das am 31. Dezember in den Weltuntergang münden sollte. Auch die „Bewegung für die Wiederherstellung der Zehn Gebote Gottes“ hatte ihren Anhängern das Ende der Welt für Ende 1999 versprochen. Ab dem 1. Januar 2000 gerieten all diese Gruppe in Erklärungsnöte. Die jetzt in Flammen aufgegangene Sekte beschloss nun offenbar, den eigenen Weltuntergang zu inszenieren.

DOMINIC JOHNSON

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