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Fluglärm-Gegner im CDU-Aufwind

■ Beirat Huchting setzt sich einstimmig für eine unabhängige Kontrolle der Nachtflug-Bestimmungen des Flughafens ein / Empörung über heimlichen Verstoß gegen „Stuhr-Vertrag“

Als das Thema „Fluglärm“ am Montagabend im Beirat Huchting aufgerufen wurde, da passierte eine kleine Revolution: Der Sprecher der CDU-Fraktion im Beirat, Siegfried Wehrmann, legte einen scharfen Beschlussvorschlag gegen den zunehmenden Fluglärm vor, der am Ende einstimmig auch von SPD- und Grünen-Beiräten beschlossen wurde. Die CDU-Vertreter aus Huchting wollen einen vom Senat unabhängigen Fluglärm-Beauftragten, sie wollen, dass nicht mehr der Wirtschaftssenator über Ausnahmen vom Nachtflug-Verbot entscheidet, sie wollen eine unabhängige Kontrolle über die Einhaltung des sog. „Stuhr-Vertrages“. Der nämlich besagt, dass die jeweils 300 Meter Startbahn-Verlängerung, die einmal für den Airbus-Flügeltransport gebaut wurden, auch wirklich nur für den Flügeltransport der DASA genutzt werden. Vor wenigen Wochen fanden die Fluglärm-Gegner heraus, dass mit Unterschrift des Häfensenators Beckmeyer schon seit Monaten die Startbahn-Verlängerung auch für andere Starts benutzt wird (vgl. taz 13.3.). Der Beirat sah darin einen Vertragsverstoß – „Einhaltung des Stuhr-Vertrages“ fordert daher der Beirat nun einstimmig.

Die Gemeinde Stuhr war auch nicht informiert über die Sondergenehmigung vom Juli 1999, mit der „ihr“ Vertrag de facto ausgehebelt worden ist. In einer internen Sitzung hat Bauamtsleiter Erich Schmidt sich „mehr als sauer“ dazu geäußert, berichteten Teilnehmer.

Unzufrieden zeigte sich die CDU auch mit der „Fluglärmkommission“, welche – so die Forderung des Antrags – in Zukunft die Interessen der Bevölkerung und nicht die der Luftfahrtbehörde vertreten soll. Dieser Punkt des Antrags provozierte die Vertreter der SPD, gemeinsam mit den Grünen stimmten sie die Formulierung aus dem CDU-Antrag heraus. Auf Wunsch der SPD-Fraktion ist stattdessen nun davon die Rede, dass „die Kommission auch in Zukunft die Interessen der BürgerInnen schützen werde“.

Der Lärmschutzbeauftragte des Bremer Senats, Daglef Schriever, musste sich im vergangenen Jahr mit circa 6.000 Beschwerden über Fluglärm auseinandersetzen. „Hauptsächlich ging es um die späten Starts nach 22.30 Uhr“, berichtete Schriever dem Beirat. Immer wieder gibt es Sondergenehmigungen für Nacht-Landungen, besonders ärgern sich die BürgerInnen auch über den regelmäßigen späten Abflug der Postmaschine, die Bremen nicht vor 23.15 Uhr verlässt. „Der Lärm schreckt alle, die Frühdienst haben, aus dem Schlaf“, empörte sich eine Anwohnerin.

Zwischen 22.30 Uhr und 6 Uhr morgens dürfen auf dem Airport Bremen Flugzeuge nur mit besonderer Genehmigung starten und landen. In den Augen der betroffenen BürgerInnen, die im Bereich der Einflugschneisen des Flughafens wohnen, als auch in den Augen der CDU-Politiker werden diese Genehmigungen von der Luftfahrtbehörde beim Senator für Wirtschaft ist, leichtfertig verteilt. „Das sind nicht alles Rettungsflüge mit lebenswichtigen Blutkonserven, die nach 22.30 Uhr fliegen“, so Siegfried Wehrmann (CDU).

Ob denn auch Ausnahmegenehmigungen für die Werder Bremen-Spieler im Gesetzesrahmen seien, wollten einige BürgerInnen wissen. Einer Maschine mit Werder Bremen-Spielern war in der vergangenen Woche erlaubt worden, mitten in der Nacht zu landen. Begründung des Wirtschaftsressorts: „Öffentliches Interesse“. Der Jurist Dettmar Denker, der für die Genehmigung zuständig war: „Werder Bremen hat standortpolitische Bedeutung für unsere Stadt.“

370 Ausnahmegenehmigungen wurden 1999 erteilt. „Das sind nur eine pro Tag“, sagt Helmut Wieckmann, Technischer Leiter bei der Flughafen-Aufsicht. In den Augen der Fluglärmgegner ist das eine zu viel. Tanja Vogt

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