piwik no script img

Neue Zweifel an der Macht

Der Einfluss von Großkonzernen müsse begrenzt werden, fordern Politiker angesichts der Fusionspläne der Deutschen und Dresdner Bank. Weltkartellamt, Schutz für den Mittelstand?

von HANNES KOCH

Wenn die Dresdner von der Deutschen Bank geschluckt wird oder der BMW-Konzern die britischen Autofabriken von Rover abwickelt, macht sich regelmäßig Hilflosigkeit breit. Nicht nur bei den Gewerkschaften und Beschäftigten, die zwar protestieren, aber meist nicht viel ausrichten können. Auch manche Politiker sind inzwischen erschrocken über die Macht der immer größer werdenden Konzerne.

Kaum hatten die Vorstände von Deutscher und Dresdner Bank die geplante Verschmelzung zur größten Bank der Welt eingestanden, äußerte sich einer der bis vor kurzem einflussreichsten Politiker Europas. Karel van Miert, der zurückgetretene Wettbewerbskommissar der Europäischen Union, warnte vor der Verwandlung der „Marktwirtschaft in eine Machtwirtschaft“. Der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP, Rainer Brüderle, macht sich für die Einrichtung eines „Weltkartellamtes“ stark. Und die Grünen haben vorgeschlagen, den Einfluss der Banken in von ihnen abhängigen Unternehmen einzuschränken.

Kartellrecht reicht nicht aus

Aus diesen Äußerungen spricht Misstrauen sowohl gegenüber zunehmender wirtschaftlicher Macht als auch den Regelungen, die diese heute in Grenzen halten sollen. Ökonomie-Professor Joachim Starbatty fordert, „im Kartellrecht eine andere Ebene zu finden“. Wenn das Bonner Kartellamt oder die Europäische Kommission heute die Fusionen zwischen Konzernen nur im Hinblick auf mögliche Behinderungen des Wettbewerbs prüften, würden ganz entscheidende Aspekte vernachlässigt, meint Starbatty. Der Ökonom, der die bundesweite Arbeitsgemeinschaft für soziale Marktwirtschaft leitet, will die Interessen des Mittelstandes stärker berücksichtigen.

Gerade kleinere Betriebe, so meint Starbatty, würden sich angesichts der Bankenfusion „noch umgucken“. Hintergrund dieser Einschätzung ist die erklärte Strategie der Deutschen Bank, sich auf die großen Unternehmen zu konzentrieren. Wie dem zu begegnen sei, weiß allerdings auch Joachim Starbatty nicht so genau. Die Diskussion ist angestoßen, hier zu Lande aber kaum entwickelt. Nur langsam öffnet sich der Blick für politische Eingriffsmöglichkeiten, wie sie etwa in den USA existieren. Im Gegensatz zum deutschen gestattet das dortige Kartellrecht, Großunternehmen zu entflechten. Übertragen auf die Deutsche Bank könnte die Chance dieses Instruments darin bestehen, dass kleinere Einheiten sich mit ihrer angestammten Kundschaft beschäftigen anstatt mit globalen Megadeals.

Wie Ökonom Starbatty schlägt auch SPD-Sozialexperte Adolf Ostertag vor, die Interessen der Beschäftigten stärker zum Maßstab zu machen, wenn neue Großkonzerne entstehen. Ostertag bemängelt besonders, dass die Rechte des alten Betriebsrates enden, wenn im Zuge einer Fusion Personal in neue Gesellschaften ausgelagert wird. Das ermöglicht den Vorständen, Löhne und Arbeitsbedingungen in den abgespaltenen Unternehmensteilen zu verschlechtern. Die Rechte des Betriebsrates müssten in solchen Fällen weitergelten, so Ostertag.

Auf dem Weltmarkt sind die Zustände für die großen Konzerne heutzutage nahezu paradiesisch. Lassen sie bei ihren Aktivitäten staatliche und kontinentale Grenzen hinter sich, können sie sich den nationalen Kartellgesetzen oft entziehen. So bestimmen wenige große Investmentbanken wie Merill Lynch und Goldman Sachs die Fusionspolitik rund um den Globus. Die Deutsche Bank versucht gerade zu dieser Spitze aufzuschließen. Die Kontrolle der Megabanken, die über hunderttausende Jobs entscheiden, wäre deshalb dringend notwendig, meint FDP-Politiker Rainer Brüderle. Er bringt die Zergliederung zu mächtiger Unternehmen als Instrument ins Gespräch.

Bankenbesitz begrenzen

Die Wirtschaftsexpertin der Grünen, Margarete Wolf, fühlt sich angesichts der bevorstehenden Fusion von Deutscher und Dresdner Bank bestätigt. Sie hat vorgeschlagen, den Einfluss von Banken dadurch einzuschränken, dass sie maximal fünf Prozent an anderen Unternehmen besitzen dürfen. Eine Forderung, aktueller denn je: Häufen sich doch die Anteilsbesitze von Deutscher und Dresdner Bank sowie der beteiligten Allianz-Versicherung derart auf, dass die drei Finanzhäuser zusammen so manchen Betrieb beherrschen.

Die SPD will allerdings an derartige Reformen nicht heran. Wirtschaftspolitiker Dietmar Staffelt befürchtet, dass „US-Investmentfonds“ ihren Anteilsbesitz an deutschen Firmen ausdehnen, wenn hiesige Banken ihren Einfluss reduzieren müssen. Angesichts dieser Alternative entscheidet Staffelt sich lieber dafür, die Herrschaft der Geldinstitute nicht zu begrenzen – denn auf die könne man besser einwirken als auf Fonds, die in den USA sitzen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen