piwik no script img

Kartoffel fürs Grobe

Putzattacken mit der chemischen Keule gefährden Natur und Mensch. Essig, Öl oder Salz sind freundliche Alternativen  ■ Von Sebastian Leber

In den Ecken hängen Spinnweben, die Fenster sind mit einer hauchdünnen Dreckschicht überzogen, überall liegt Staub: Im Frühjahr hellen die ersten Sonnenstrahlen nicht nur Gemüt und Seele, sondern auch die eigenen vier Wände auf. Dabei wird sichtbar, was man während der trüben Wintermonate gerne übersehen hat. Millionen Deutsche raffen sich dann zum Frühjahrsputz auf – zum Schrecken der Hausspinnen und leider auch der Umwelt.

Hypochlorid, Perborat, Formaldehyd: Je mehr Chemie im Spiel ist, desto sauberer werden Möbel, Fenster und Badewanne, verheißt die Werbung. Tatsächlich führen Putzattacken mit der Chemiekeule meist schnell und bequem zum Erfolg – doch die Umweltbelastung wird dabei stark unterschätzt. Eine Vielzahl von chemischen Reinigungsstoffen können eine verheerende Wirkung haben – für die Natur und auch für den Menschen. In der Kläranlage, warnt Dirk Petersen von der Verbraucher Zentrale Hamburg, töteten die Stoffe nützliche Bakterienkulturen ab und gelangten danach ungefiltert in den Naturkreislauf. Dort belasteten sie Böden und vergifteten Pflanzen wie Tiere, beim Menschen könnten die Schadstoffe zu Allergien und sogar zu Verätzungen führen.

Grundsätzlich gilt daher: Spezial- und Desinfektionsmittel sind im Hausgebrauch zu vermeiden. „Für den Frühjahrsputz reichen sanfte Produkte wie Spülmittel, Allzweckreiniger, Scheuermittel und Seife“, rät Petersen. Sämtliche Spezialmittel seien „umweltschädlich und teilweise gesundheitsgefährdend“. Von beschwichtigenden Herstellerhinweisen, so der Verbraucherschützer, solle man sich nicht täuschen lassen. Zertifikate wie die „98-prozentige Abbaubarkeit“ besagten lediglich, dass die verwendete Stoffverbindung im Klärwerk in ihre Einzelteile zerlegt werden kann – doch die seien oft mindestens genauso umweltschädlich.

„Das Vorgehen der Industrie ist absolut unverantwortlich“, meint auch Chemieexperte Manfred Krautter von Greenpeace. In schöner Regelmäßigkeit würden in Reinigungsmitteln neue Stoffe verwendet, deren Gefährlichkeit für die Umwelt gar nicht abzuschätzen seien. Wenn dann nach zehn Jahren die Risiken langsam an Licht kämen, ersetze die Industrie das Mittel „ganz einfach durch ein neues“.

Anika Boek verzichtet schon seit langem auf chemische Substanzen beim Frühjahrsputz. Die Rentnerin aus Eppendorf hat im Laufe ihres Lebens viele Tricks und Kniffe gelernt, mit denen sie ihre Wohnung auch ohne Schadstoffe sauber kriegt. „Meine Badewanne reinige ich grundsätzlich nur mit Apfelsinenschalen“, verrät Anika Boek und schmunzelt. Auch sonst setzt sie beim Putzen vor allem auf Lebensmittel: Essig und Öl verwendet sie als Möbelpolitur, und verdreckte Spiegel bringt sie mit einer rohen Kartoffelhälfte zum Glänzen. „Alternatives Putzen“ nennt sie das.

Tatsächlich lässt sich die Wirksamkeit der „Selfmade-Reiniger“ wissenschaftlich nachweisen. So kann ein einfacher Schuss Essig beim Säubern von Toilette, Waschbecken und Badewanne wahre Wunder bewirken, bei Kacheln und Fliesen hilft Schlämmkreide. Als Universalmittel gegen Flecken gilt die Gallseife, und Austernschalen in der Kaffeemaschine verhindern Kalkablagerungen. Verchromte Wasserhähne und Handtuchhalter werden blank, wenn man sie mit etwas Mehl bestreut und leicht poliert. Und die verhassten braunen Ränder in Tee- und Kaffeegeschirr lassen sich problemlos mit feuchtem Salz oder Zahnpasta entfernen. Ganz nebenbei: Zahnpasta eignet sich auch ausgezeichnet zum Polieren von Silber, Gold und Klavier-tasten.

Ausführliche Informationen zum Thema „Umweltverträgliche Putzmittel“ gibt es bei der Verbraucherzentrale Hamburg, Kirchenallee 22, 24 83 20. Infos und Beratung erhält man auch bei der Hamburger Umweltbehörde unter % 34 35 36 sowie beim Bundesumweltministerium unter % 030/28 55 00.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen