: Micon macht weiter
Vom Absturz ist der dänische Windradhersteller NEG Miconnicht mehr bedroht. Doch die Konsolidierungsphase hält an
An manche Sternstunden wird Friedrich Preißler-Jebe nicht gern erinnert. Im Herbst vergangenen Jahres macht seine dänische Mühlenschmiede Schlagzeilen. „Innerhalb eines Tages fiel der Aktienkurs unseres Unternehmens um 73 Prozent“, sagt Preißler-Jebe, Geschäftsführer der deutschen NEG-Micon-Vertretung im schleswig-holsteinischen Ostenfeld. Einzelheiten über die dramatische Entwicklung sickerten erst nach und nach aus Dänemark über die deutsche Grenze.
Auslöser für die akute Finanzkrise waren technische Defekte, die mehr oder weniger reihenweise an den Getrieben der 600- und 750-Kilowatt-Anlagen aufgetreten waren. Vorläufige Zwischenbilanz: In 16 Ländern muss NEG Micon in den kommenden zweieinhalb Jahren rund 1.250 Getriebe vom Typ PEAC 4280 und PEAC 4300 austauschen. In den Maschinen des Bocholter Lieferanten Flender kam es bei besonders stürmischer Ökostromproduktion vor allem zu Schäden an den Lagern. „Die Ursache liegt vermutlich in dem immer härter gewordenen Konkurrenzkampf der Hersteller um Marktanteile“, urteilt ein Branchenkenner.
NEG Micon und der Getriebelieferant Flender hüllen sich in Schweigen, schließlich haben beide in der Windkraftbranche einen guten Ruf zu verlieren. Klar ist jedenfalls für Insider, dass da mehr oder weniger „Pfusch am Bau“ gemacht wurde.
Um die Wogen nicht allzu hoch schäumen zu lassen, haben die dänische Mühlenschmiede und ihr Zulieferer relativ schnell ein „Retrofit-Programm“ aus der Taufe gehoben. NEG Micon plant, bei den Getrieben die Schmiereigenschaften durch Wechsel des Öltyps zu verbessern. Ölfilter sollen zusätzlich eingebaut, außerdem soll die Betriebstemperatur runtergefahren werden und zu guter Letzt wird künftig auf eine Hochdruckschmierung gesetzt. Bei den bekannten Anlagentypen, die besonders für technische Probleme anfällig sind, werden die kompletten Getriebe ausgetauscht. In Kooperation mit Flender laufen derzeit weltweit Austauschmaßnahmen an. Die so genannten Planetenlager und die Hochgeschwindigkeitslager bei allen schadhaften Getrieben werden – egal, wo die Mühle steht – ersetzt. „Da werden in erster Linie ausgereifte Komponenten zum Einsatz kommen, die bereits vor 1996 in Windrädern verwendet wurden“, meint der neue NEG-Micon-Chef Torben Bjerre-Madsen in der dänischen Firmenzentrale Randers. Das umfangreiche Programm wird bei NEG Micon allein in diesem Jahr rund 65 Millionen Mark verschlingen. Einziges Trostpflaster für die Betreiber von NEG-Micon-Mühlen: Die Sanierungsaktion wird sie keine müde Mark kosten.
Das Beispiel zeigt, wie wichtig es für den künftigen Ausbau der Windenergie ist, dass nur grundsolide Ökokraftwerke auf den Markt geworfen werden. Ausgerechnet der Boom bei der Windenergie trägt manchmal seltsame Früchte. Da werden in kürzester Zeit riesige Propeller kreiert, die nicht einmal die umfangreichen Testprogramme absolviert haben. „Es kann nicht sein, dass solche Anlagen praktisch beim Kunden im Betrieb ihre Testphase abschließen“, meint Markus Jansen, Leiter des Windtestfelds in Grevenbroich. Der studierte Ingenieur plädiert dafür, alle neuen Mühlen zumindest einer halbjährigen Testserie zu unterziehen, bevor sie die Werkshallen der Hersteller verlassen. „So eine Geschichte wie mit NEG Micon darf sich in der Branche nicht wiederholen“, meint Jansen.
So schnell wie die Turbinenbauer aus Dänemark in die Schlagzeilen gekommen sind, so schnell sind sie auch wieder verschwunden. Der Grund liegt auf der Hand: Nur durch kulante Schadensbegrenzung kann sich heute ein Hersteller auf dem Windkraftmarkt noch behaupten. „Das erwarten die Kunden mittlerweile auch von den Anlagenbauern“, weiß Testingenieur Jansen.
Das Krisenmanagement bei NEG Micon hat jedenfall deutsche Planungsbüros überzeugt. Ende Januar konnte die deutsche Filiale des weltgrößten Herstellers von Windrädern einen Liefervertrag von 100 bis 150 Windturbinen unterzeichnen. Die Gesamtlieferung umfasst rund 50 Anlagen der Klasse zwischen 600 Kilowatt und 1 Megawatt sowie rund 100 Anlagen der Typen 1,5 und 2 Megawatt. „Die Anlagen sind technisch ausgereift, und zudem hat NEG Micon in der Vergangenheit gezeigt, dass Reklamationen prompt behoben werden“, meint Leo Nöthlichs, Geschäftsführer des Planungsbüros Umweltkontor. Mit diesem Deal scheint NEG Micon jedenfalls in Deutschland den Turn-around wieder geschafft zu haben.
MICHAEL FRANKEN
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