Filmstarts à la carte
: Das Holzbein der Braut

Eigentlich hätte er einen Platz im Pantheon großer Stummfilmkomiker neben Keaton, Lloyd und Chaplin verdient - statt dessen geriet Charley Chase völlig ungerechtfertigt in Vergessenheit. Seine erfolgreichste Zeit hatte der Komiker Mitte der 20er Jahre beim Hal-Roach-Studio, als er gemeinsam mit dem Regisseur Leo McCarey das Genre der „ädomestic comedy“ entwickelte: Häusliche Probleme, Ehe- und Generationskonflikte dienen dabei als Ausgangspunkt einer Komik, die auf Ketten von sich multiplizierenden Mißverständnissen und Zufällen beruht, die in ihrer haarsträubenden Absurdität dem armen Charley keine Chance zur Richtigstellung mehr lassen. So hat er in „Limousine Love“ (Regie: Fred Guiol) als Bräutigam auf der Fahrt zur Trauung plötzlich eine nackte Frau im Auto sitzen, nimmt ihren eifersüchtigen Ehemann unwissentlich als Anhalter mit, und muss sowohl einem neugierigen Polizisten als auch der wartenden Hochzeitsgesellschaft die Anwesenheit der unbekleideten Dame erklären. In „His Wooden Wedding“ (Regie: Leo McCarey) befindet sich hingegen Charleys Braut plötzlich in Erklärungsnöten, weil ein abgewiesener Rivale Charley am Tag der Hochzeit weismacht, sie habe ein Holzbein. Leider hat sich die künftige Gattin gerade den Knöchel verstaucht, und Charleys zaghafte Tastversuche enden für ihn mit einem Splitter im Finger - und mit der Vision von einer ganzen „Holzbein-Familie“. Den (vorläufigen) Rest gibt ihm schließlich eine vermeintliche „Aussprache“, bei der er sich jedoch versehentlich mit einer Schneiderpuppe unterhält, der dummerweise ein Bein abfällt. Chase starb vergessen im Jahr 1940 - seine Art der Komik lebte jedoch in den Filmen Leo McCareys weiter, der genau diese Lawinen von Peinlichkeiten und abstrusen Mißverständnissen zum Prinzip berühmter Screwball-Komödien wie „The Awful Truth“ machte.

„Charley Chase Comedies“ 31.3., 2.4. im Filmmuseum Potsdam

Um in seinen Melodramen Spannung zu erzeugen, bediente sich Alfred Hitchcock eines ebenso einfachen wie wirkungsvollen Prinzips: Der Zuschauer wird über die persönliche Integrität der Protagonisten im Unklaren gelassen - jede gute Nachricht, die man mit Erleichterung quittiert, wird sofort durch einen neuerlichen Verdacht konterkariert. In „Suspicion“ befürchtet Lina (Joan Fontaine), dass ihr verlogener und ziemlich windiger Ehemann (Cary Grant) seinen Freund Beaky an einer steilen Klippe beseitigen will. Panisch fährt sie den beiden nach und findet tatsächlich Reifenspuren, die in den Abgrund weisen. Linas Heimkehr inszeniert Hitchcock als Alptraum: Eine schwarze Wolke verfinstert die Sonne, und die Dachkonstruktion der Eingangshalle wirft einen Schatten wie ein überdimensionales Spinnennetz. Doch dann ist Beakys fröhliche Stimme zu hören - die Wolke verschwindet, die Räume erscheinen wieder hell und freundlich, die Anspannung weicht der Erleichterung. Bis Beaky erzählt, dass er beinahe in den Abgrund gestürzt wäre...

„Verdacht“ 1.4.-2.4. im Filmkunsthaus Babylon

„Welcome to a world of violence!“ In seinen satirischen Action-Melodramen entwarf der große amerikanische Autorenfilmer Russ Meyer ein sehr eigenes Panorama vom mittleren Westen, in dem selbstbewußte und reichlich vollbusige Frauen auf schlaffe Softies, hirnlose Sexprotze und alte Perverse treffen - Mord und Totschlag inklusive. So auch in „Faster, Pussycat! Kill! Kill!“, in dem drei fiese Go-Go-Tänzerinnen auf der Jagd nach Action und Geld mit ihren Sportwagen durch die Gegend rasen und widerspenstigen Männern auch gern einmal das Genick brechen. Meyers beste Filme sind auch immer ironische Kommentare zum amerikanischen Traum von Erfolg und Reichtum, der sich in einer Spirale von letztlich sinnloser Gewalt verliert - denn am Ende triumphieren genregemäß immer die biederen Warmduschertypen.

„Faster, Pussycat! Kill! Kill!“ 30.3.-5.4. im Kino in der Brotfabrik

Lars Penning